Der Kraehenturm
früher oder später angesprochen und dir die Wahrheit enthüllt, aber die Regeln des Ordo Occulto ließen es zu diesem Zeitpunkt nicht zu.«
»Und weshalb musste Vallentin sterben? Warum war er überhaupt in Heidelberg?«
Freyberg blickte schnell zu Raban hinüber, der unmerklich nickte. »Dein Freund wurde zum Zwecke der Weiterbildung ins Magistratum geschickt.«
Icherios entging Freybergs Zögern nicht. Irgendetwas schien er ihm zu verheimlichen. Wenn es nur um Weiterbildung gegangen wäre, warum hatte sein Freund dann diese Karte anfertigen sollen?
»Vermutlich wurdet Ihr in eine Prügelei verwickelt, die eskalierte«, fuhr Raban gespielt gleichmütig fort.
Der junge Gelehrte spürte, wie ihm der letzte Rest Vertrauen in die beiden Männer verloren ging. Sie wussten genauso gut wie er, dass das unwahrscheinlich war. Niemand konnte seine Narben mit einer Schlägerei erklären.
Freyberg erhob sich und ging zu einem der Tische unter den Fenstern. »Wir hatten keinen besonderen Auftrag für Vallentin, sodass er sich voll und ganz auf seine Ausbildung in Heidelberg konzentrieren konnte.«
Nun glaubte Icherios, die Lüge förmlich riechen zu können.
»Das könnt Ihr mir doch nicht wirklich weismachen wollen. Er war Euer Spion, und nachdem er starb, habt Ihr ihn durch mich ersetzt, ohne Euch auch nur einen Deut um mein Schicksal zu kümmern.«
»Also gut, Vallentin sollte die Augen für uns offen halten. Das war aber nur nebensächlich. Denn eigentlich war er für seine Studien in Heidelberg. Mit seinem Tod hat das Ganze aber überhaupt nichts zu tun.« Freyberg setzte erneut sein väterliches Lächeln auf. »Jetzt versuch dich aber nicht weiter mit der Vergangenheit zu quälen. Unglücke geschehen, und wir können sie nicht rückgängig machen.«
Icherios dachte an den Biss des Vampirs. War das ebenfalls ein Unglück, das sich nicht ungeschehen machen ließ?
»Konzentriert Euch auf Euer Studium, und erforscht ein Heilmittel«, fuhr Raban dazwischen. »Es ist zu Eurem eigenen Besten, wenn Ihr Euch so schnell wie möglich vom Strigoi befreit.«
»Ihr meint wohl eher zu Eurem Besten«, fauchte Icherios. »Damit Ihr Euren Spion nicht verliert.«
»Verwechselt mich nicht mit einem Mitglied des Ordo Occulto. Ich bin nur ein Freund.«
»Warum glaube ich Euch nur nicht?«, fragte Icherios.
»Ich sehe schon, das führt zu nichts. Wir reden besser heute Abend weiter. Entschuldigt mich bitte.« Raban verließ nahezu geräuschlos den Raum.
Freyberg nickte erleichtert. Ohne die Anwesenheit von Icherios’ ehemaligem Mentor würde sich das Gespräch entspannter gestalten. Er begleitete den Vampir zur Tür und schloss sie sorgfältig hinter ihm. Dann kehrte er zu dem jungen Gelehrten zurück. »Wir sprachen über das Magistratum, bevor wir unterbrochen wurden.«
»Mir ist nichts Verdächtiges aufgefallen. Wir haben den Geist einer Hexe, die ihr Unwesen in einer Mühle trieb, beseitigt, ansonsten beschäftige ich mich mit meinem Studium.« Das war immerhin nicht gelogen. Wenn Freyberg nicht diese Andeutungen gemacht hätte, würde ihm das Magistratum als sicherer Zufluchtsort erscheinen.
»Und Auberlin, hat der etwas gesagt?«
»Er hat mich vor Euch gewarnt.«
Freyberg stieß einen ärgerlichen Pfiff aus. »Das sieht ihm ähnlich.«
»Was geht eigentlich zwischen Euch vor?«
»Er ist einfach gefährlich, das ist alles, was du wissen musst, Jungchen.«
Icherios stand auf und ging zur Tür. »Dann haben wir uns nichts mehr zu sagen.«
»Alchemistendreck«, fluchte Freyberg. »Warte, kannst du mir nicht vertrauen, wenn ich sage, dass er eine Gefahr darstellt?«
»Bei all dem Vertrauen, das Ihr mir bisher entgegengebracht habt? Bei all den Geheimnissen, Halbwahrheiten und Lügen?«
Der Chronist stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich hatte doch keine Wahl.«
»Aber ich habe eine, und ich werde mich nicht wie Vallentin abschlachten lassen, ohne zu wissen warum. Ich bin kein Bauer in einem Schachspiel, den man opfern kann. Und Vallentin war auch keiner.«
Freyberg trat an einen Tisch, auf dem ein ausgeweidetes, fremdartiges stacheliges Tier lag.
»Ich kenne Auberlin seit unserer Jugend, er ist einige Jahre älter als ich. Wir studierten an derselben Universität, wo ich auch Cäcilie begegnete.« Freybergs gewaltige Hände zitterten, als die Erinnerungen ihn übermannten. »Wir waren einander in Liebe zugetan. Zu dem Zeitpunkt ahnte ich nicht, dass ich, indem ich eine von Auberlins Arbeiten widerlegt hatte,
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