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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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die Glocke, dass es nur so dröhnte. Nicht länger waren sie nur Motive, Rechtfertigungen, Teloi, Casus Belli für andere, die sich auf sie stützen und die an sie glauben konnten: Nun waren sie selbst die Kombattanten. Der Krieg war soeben auf die Metaebene übergewechselt.
    »Danke, Perky.« Collingswood entkorkte die Flasche und kippte sie um, sodass sich die unsichtbaren Inhalte auf den Bereich außerhalb ihres geschützten Kreises ergossen. Das Schwein raste herum und leckte und schmatzte und schlabberte in Dimensionen, in denen Collingswood zu ihrer großen Erleichterung nicht würde saubermachen müssen.
    Da sie jedoch nun wusste, dass es nur Perky war, waren die Schutzmaßnahmen überzogen. Sie trat hinaus aus den Winkeln elektrostatischer Abschirmung und schaltete sie ab. »Viel Spaß«, sagte sie über ihre Schulter hinweg. »Mach keine allzu große Sauerei und klau nichts, wenn du abhaust.«
    Kay Kollywood Dank Mjam.
    Collingswood fuhr sich mit den Fingern durch das Haar, legte ein Minimum an Make-up auf und die mitgenommene Uniform an und ging durch die zutiefst bedrohliche Stadt. »Der Besenstiel ist in der Garage«, sagte sie sich mehr als nur einmal, ein Witz, so alt und flach, dass er ohne jede Bedeutung war. Ihn jedoch aufzusagen, als wäre alles ganz normal, wirkte ein wenig tröstlich auf sie.
    »Hier drin dürfen Sie nicht rauchen«, sagte der Taxifahrer. Sie starrte ihn an, konnte aber nicht genug Entschlossenheit aufbringen, um ihn einzuschüchtern, also machte sie die Zigarette aus und zündete sie erst wieder an, als sie im FSRC-Bereich der Neasden Police Station angekommen war.
    Man musste mehr davon verstehen als Collingswood, um wenigstens ansatzweise zu begreifen, was los war, was über allem Übrigen dräute. Diverse Londoner Götter waren von dem Lärm aus ihrem langen Schlummer geweckt worden, streckten sich und versuchten, mit ihrer Pracht zu beeindrucken und ihre Macht geltend zu machen. Sie hatten noch nicht erkannt, dass kein Londoner noch einen Scheiß auf sie gab. Der Donnerschlag dieser Nacht war dramatisch, aber es war nur das Gemecker von Göttern, die es hinter sich hatten, eine Art himmlisches Geschimpfe, das etwa besagte: »Was hat der verdammte Krach zu bedeuten?«
    Das echte Geschehen fand auf der Straße statt. In einem ganz anderen Umfang. Wenige der Wächter, irdisch oder nicht, in irgendeinem der Londoner Museen, hätten sagen können, warum sie plötzlich so extreme Furcht verspürten. Es lag daran, dass ihre Erinnerungsorte ungeschützt waren. Ihre Engel waren fort. Die Hüter all dieser lebendigen Museen fanden sich zusammen. Mit Ausnahme eines Einzelnen, der immer noch seine eigene Mission verfolgte. Die Engel stellten dem herannahenden Ende nach, diesem Schlusspunkt der Zukunft, und sollten sie ihn finden, so hatten sie die feste Absicht, ihn zu vernichten.
    Vardy war bereits im Büro. Collingswood bemerkte, dass er nicht so aussah, als wäre er noch vom Schlaf zerzaust. Er wirkte nicht triefäugiger oder gehetzter als sonst. Vardy empfing sie mit einem Blick, der noch unfreundlicher war als üblich. Das brachte sie ein wenig aus der Fassung.
    »Verdammte Scheiße«, fuhr sie ihn an. »Warum so abweisend? Was ist los mit Ihnen? Hat die Apokalypse an ihrem Käfig gerüttelt?«
    »Ich weiß nicht so recht, was das ist«, sagte er, während er sich eine Website ansah. »Aber das ist noch nicht die Apokalypse. Zumindest in dem Punkt bin ich ziemlich sicher.«
    »Ist nur so eine Redensart von mir.«
    »Oh, ich glaube, es ist mehr als das. Ich glaube außerdem, das Wort, das wir im Kopf behalten sollten, lautet ›noch‹. Was führt Sie hierher?«
    »Was meinen Sie denn wohl? Die Noch-nicht-Apokalypse, Sie Held. Wissen Sie, was da los ist? Die Erinnerungswächter haben sich aufgemacht und wollten jemanden plattmachen. Diese Scheißer sollten eigentlich ihre Museen gar nicht verlassen. Ich will versuchen, genauer herauszufinden, was da los ist. Was sich gerade verändert hat. Was meinen Sie dazu?«
    »Warum nicht?«
    »Scheiße, wissen Sie, manchmal, ganz im Ernst, manchmal wünscht man sich nur noch, man würde in einer Stadt leben, in der es all diese Verrücktheiten und all diesen Kram nicht gibt. Ich meine, ich weiß, dass einige von diesen Kerlen ganz normale Verbrecher sind, einfach nur böse Jungs, aber am Ende läuft dann wieder alles auf diesen Götterkram hinaus. In London. Da ist das so. Jedes einzelne Mal. Und das, Mann, was soll man dazu noch sagen?«

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