Der Krake
staubgeschwängerte Luft und starrte hinunter zu den Autos. »Was zum Teufel ist da draußen bloß los?«
Das Tattoo war los. Seine angeheuerten Ballermänner tobten und missachteten Bündnisse, die seit Jahrzehnten bestanden hatten, trampelten einfach alles nieder auf ihrer Jagd nach einer Beute, die sie schon gehabt und wieder verloren hatten.
Die Chaosnazis waren natürlich nicht mehr der Rede wert. Wer sollte noch Angst vor ihnen haben, nun, da sie abgesoffen waren, da sie brüllten und vollends im Arsch waren? Die freien Söldner, die Vollzeit-Armleuchter und andere waren jedoch höchst erfreut, für die seit neuestem offene Position des führenden Schwarzen Mannes vorsprechen zu können, und die UMA-Posten waren unfreiwillige Kleindarsteller in diesem brutalen Durchmarsch, in diesen lebenslauffütternden Attacken. Wati verschwand aus dem Raum über Camden, kam zurück, verschwand, kam zurück, unterstützte, reparierte und scheiterte.
»Das Tattoo ist vollkommen durchgedreht«, sagte Collingswood. »Was macht der nur? Hat irgendjemand mit ihm gesprochen?«
»Der redet nicht mit uns.« Baron pumpte die Wangen auf und atmete aus. »Wir können ihn verdammt noch mal nicht auftreiben.«
»Der braucht unser Einverständnis nicht«, sagte Vardy. Die drei saßen da wie eine Unterstützungstruppe für hauptberufliche Griesgrame.
»Jetzt kommen Sie schon«, fuhr Baron sie an. »Ich habe Sie zwei nicht wegen Ihres guten Aussehens eingestellt. Sprechen wir die Sache durch.«
»Da ist das Tattoo, das offen den Krieg erklärt und Goss und Subby hierhergeschickt hat. Damit sie sich um unseren Gefangenen kümmern«, sagte Vardy.
»Und dann sind da Dane und Billy, die irgendwelche Leute in mein Scheißbüro schicken«, fügte Collingswood hinzu.
»Also macht Ihnen vor allem Sorgen, dass jemand hier eingedrungen ist«, bemerkte Baron verärgert. »Was Sie also wirklich auf die Palme bringt, Kath, das sind Leute, die zwischen ihren Stiften herumwühlen ...«
Sie starrte ihn an. »Ja«, sagte sie. »Die und die Sache mit diesem scheußlichen Mord in unserem Keller.«
Und wieder stierten sie einander eine Runde an.
»Niemand interessiert sich noch für uns«, befand Baron. »Wir stehen einfach nur mittendrin. So was ist nicht gut für die Seele.«
»Jesus, Boss«, sagte Collingswood. »Kriegen Sie mal wieder den Kopf hoch, verdammt.«
»Wir haben einen Scheißdreck erreicht«, sagte Baron. »Billy und Dane haben mehr auf die Beine gestellt als wir.«
»Das wird auch nicht helfen.« Vardy blinzelte hektisch, während er seine Worte sortierte. »Hier herumzusitzen, während alle ständig um uns herumrennen. Wir sollten mal ein kleines bisschen verdammte Autorität geltend machen. Wir müssen anfangen, Leute herzuzitieren. Zu unseren Bedingungen.«
»Und wie sollen wir das anstellen?«, fragte Baron. »Wir wissen nicht einmal, wo die alle stecken.«
»Nein. Also müssen wir daran etwas ändern. Passen Sie auf, wir wissen, was die wissen. Erstens: Sie wissen von dem Ende. Und zweitens: Sie wissen, dass das auf dem Verschwinden des verdammten Kraken beruht. Und drittens wissen sie, dass irgendwer irgendwo da draußen aus irgendeinem Grund alles genau so geplant hat. Also müssen wir jetzt den Berg dazu bringen, zu Mohammed zu kommen.«
Baron stierte nur weiter vor sich hin. »Was hat Mohammed mit alldem zu schaffen?«, grollte er. »Und wo ist der Berg?«
»Ich klettere nirgends rauf«, verkündete Collingswood.
»Wir müssen die Angel auswerfen«, sagte Vardy.
»Was, soll der Berg jetzt angeln gehen?«, fragte Collingswood.
»Jesus Christus, können Sie mal die Klappe halten?«, brüllte Vardy. Collingswood wirkte zwar keineswegs schockiert, schwieg aber daraufhin. »Wir müssen herausfinden, was die wollen und worauf sie warten. Wie können wir sie herauslocken? Tja, wie kann man jeden aus seinem Loch locken?« Er schwieg theatralisch.
»Ah«, machte Collingswood ein wenig zurückhaltender. »Apokalypse.«
»Ganz genau«, sagte Vardy. »Sie warten auf eine Apokalypse. Also liefern wir ihnen eine.«
In London, Häresiopolis, war dergleichen stets eine Attraktion. Alle paar Tage oder Nächte kündigte irgendwer die ewige Nacht an. Meist kam gar nichts dabei heraus. Nur ein paar maßgebliche Propheten krochen bei Sonnenaufgang verlegen zu Kreuze. Eine besondere Form der Schande erlebten die nun ehemaligen Anhänger, wenn sie einander nicht mehr in die Augen sehen mochten in den vollends unerwarteten Nachwehen
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