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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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quietschenden Pedalen vorbei. Fitch und die Londonmantiker warteten. Die letzten Krakenbissträger versteckten ihre teuthisch-tumorösen Modifikationen im Laderaum des Lastwagens. Die See im Haus antwortete lange Zeit nicht auf die Flaschenpost.
    »Was ist los?«, flüsterte Simon.
    »Wir können nicht ewig hier rumhängen«, flüsterte Saira.
    Billy hob eine Hand, wollte, wenn es ihm auch blasphemisch erschien, ans Fenster klopfen, doch etwas kam ihm zuvor. Statt seiner klopfte etwas von innen. Ein langsamer Schlag durch den Vorhang. Eine der unteren Ecken des Stoffs bewegte sich, und er wurde langsam zur Seite gezogen.
    »Sie zeigt es uns«, bemerkte Billy. »Damit du nach den Koordinaten schauen kannst, Simon. Tu, was du tun musst.«
    »Verdammt auch«, sagte Saira. »Ich schätze, das darf man als Einverständnis auffassen.«
    Der Vorhang entfernte sich von einer finsteren Ecke. Dahinter war nichts weiter zu sehen, bis sich irgendwo tief in dem Dunkel etwas regte - versteckte Andeutungen in der Finsternis. Sie kamen näher, hielten Zentimeter vor dem Glas inne. Und aus dem trüben Licht, das die Straßenlaterne in den Raum warf, starrten ihnen winzige, durchscheinende Fische entgegen.
    Ihre Bauchflossen klimperten. Sie musterten Billy mit ihren durchsichtigen Augen. Dann eine jähe Bewegung, etwas Schnelles, das Vipernmaul weit aufgerissen, und die kleinen Fische waren fort. Die Vorhänge trieben sanft.
    Licht erschien in dem finsteren Raum, Lichter, die sich bewegten. Sie kamen aus einer Grotte in einem Zimmer voller Meer. Ein Wohnzimmer, Sofa, Sessel, Bilder an den Wänden, Fernseher, Lampen und Tische, tief im grünen Wasser versunken und neugierig erkundet von Fischen und Algen. Und diese Lichter waren die glühenden Perlen biolumineszenter Tiere.
    Ein Wohnzimmer, dessen Mobiliar von Korallen durchzogen war, in denen Seegurken weideten. Die Quasten am Lampenschirm bewegten sich mit der Strömung, und eine Anemone winkte mit ihren fedrigen Fingern, als wollte sie ein filigranes Echo liefern. Fische überall, geisterhaft erleuchtet durch sich selbst und ihre Nachbarn. Fingernagelgroße Winzlinge, armdicke Aale. Neben einer versunkenen Hi-Fi-Anlage, fest vernietet mit Rankenfüßern, bewegte sich ein faustgroßes Licht wie ein langarmiges Metronom. Das Ticktacklicht wirkte beinahe hypnotisch auf Billy.
    »Hast du es?«, fragte er Simon, und das fiel ihm nicht leicht. »Hast du, was du brauchst?«
    »Ich muss das Wasser rausschaffen, kurz vorher, in der richtigen Form«, murmelte Simon. Er starrte zum Fenster hinein und ging im Selbstgespräch eine Liste dessen durch, was er für die kuriose Technik benötigte, die er perfektioniert hatte.
    »Fertig«, sagte er schließlich. Eine Muräne glitt aus der Dunkelheit herbei, wickelte sich um ein Bein des Sofas und zerrte es an einen neuen Standort, um Platz zu schaffen für das, was kommen würde. »Gut.« Simon schloss die Augen, und Billy hörte in der Luft um sie herum das Gemurre von Simons letztem idiotisch rachsüchtigem Geist.
    »Er weiß, was ich tue«, sagte Simon. »Er denkt, ich würde selbst gehen. Er versucht, mich daran zu hindern, mich noch einmal zu ermorden.« Er lächelte sogar.

77
    Da war ein papiernes Rascheln. »Sie kommen!« Fitch lehnte sich aus dem Laster. »Grisamentum! Er ist gleich hier.«
    »Alles bereit?«, fragte Billy.
    »Sie kommen!«, brüllte Fitch. Die Luft über der Straße füllte sich mit Papieren. Sie forschten Vorgärten aus und kamen zu dem Lastwagen, starrten ihn aus ihren Tintenklecksaugen an.
    »Was zum Teufel Sie auch vorhaben, ich schlage vor, Sie tun es jetzt«, sagte Collingswood.
    Simon ging zum Krakentank und legte die Hände darauf. Er schloss die Augen. Scheinwerfer huschten über die Hausfassaden. Dann war da das seit langer Zeit vertraute Säuseln, der an funkelnde Pailletten erinnernde Schimmer. Der Tank wurde heller und wieder dunkler und war nicht mehr da.
    Es rumpelte im Haus. Ein Rülpser Wasser ergoss sich aus dem Briefschlitz. Und da kein Tank mehr da war, ihn zu stützen, fiel Simon auf die Knie.
    »Groß«, murmelte er, blickte auf und lächelte. Sein Geist heulte.
    Der Krake war in der Botschaft der See. Billy, Simon und Saira starrten einander mit großen Augen an.
    »Haben wir ...?«, fragte Saira.
    »Es ist geschafft«, sagte Billy.
    »Meinen beschissenen Glückwunsch«, sagte Collingswood. »Schön, würden Sie dann bitte in unser verdammtes Gefängnis gehen?«
    »Er ist sicher«, sagte Billy. Das

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