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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Reizel
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verarschen?“
    „Jetzt hör mal zu, Eva. Ein Teil des Artikels stammt von mir, das ist richtig. Es ging darum, einen skandalösen Zustand publik zu machen, nichts weiter. Mit der Mordgeschichte habe ich nichts zu tun. Ich weiß nicht, wo sie das herhaben, und sie haben es auch nicht mit mir abgestimmt.“
    „Wenn sie dich falsch zitiert haben, kannst du sie verklagen.“
    „Sie haben mich nicht falsch zitiert. Und ich bin sicher, dass sie für den anderen Teil der Geschichte auch wasserdichte Quellen haben. Vielleicht solltest du das besser mit deinem Vater besprechen.“
    Stirnrunzelnd legte Eva die Zeitschrift weg, trank einen Schluck und atmete tief durch. „Auch wenn das stimmt … Nimm’s mir nicht übel – aber das ist doch nicht auf deinem Mist gewachsen?“
    „Nein. Es war
sein
Wunsch.
Er
war an der Geschichte dran.“
    „Was ist wirklich mit ihm passiert, Ralf? Du weißt es doch, oder?“ Tränen schimmerten in ihren Augen.
    Ralf schüttelte verzweifelt den Kopf. „Bitte, Eva, frag nicht weiter. Tu es für Lukas. Ich kann es dir nicht sagen, das musst du mir glauben. Noch nicht.“
    Nachdem sie gegangen war, scannte Ralf den Text ein und schickte ihn mit einem kurzen, verschlüsselten Kommentar über international-seagull.net.
    Die Nachricht erreichte Lukas spät in der Nacht in der Lodge, nachdem er eine Sicherheitskopie des Programms gezogen und den Akku ausgetauscht hatte. Sie lautete: „Jetzt gehst du neben Tron und Hagbard Celine in die Liste ungeklärter Todesfälle ein. Vielleicht war es ja das, was du immer wolltest. Der Bärensee ist jetzt schon Pilgerstätte für Freaks und Nerds aus der Gegend – ab morgen werden sie aus dem ganzen Land kommen. Grüße nach Fernando Poo, lass von dir hören, RA.“
    Auch auf Martin Beiers Schreibtisch lag der
Chronos
. Kaum hatte er den Aufmacher gesehen, schlug er so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass der Kaffee darüber schwappte und die Schrift verwischte. Die Mitglieder seines fünfköpfigen Ermittlungsteams zuckten erschrocken zusammen.
    „Verdammt noch mal, wie konnte die Mordhypothese durchsickern? Kann mir das vielleicht einer sagen?“
    Henk van Buyten, der sich auch im Raum befand, zuckte als Einziger nicht mit der Wimper. „Beruhige dich, Martin. Das kann passieren. Mehr Leute wussten davon. Es muss nicht aus diesem Raum kommen.“
    Doch Martin Beier wollte sich nicht beruhigen. „Ich brauche endlich Ergebnisse! Was ist mit den unterdrückten Nummern, habt ihr da wenigstens was?“
    Schüchtern ergriff die junge Kriminalassistentin das Wort. „Es handelt sich jedes Mal um dieselbe Nummer, aber sie ist inzwischen deaktiviert worden. Die Rentnerin, auf die sie eingetragen war, ist seit fünf Jahren tot.“
    „Gratuliere.“ Mühsam erlangte Martin Beier seine Beherrschung zurück und schickte das Team wieder an die Arbeit. Dann rieb er sich die brennenden Augen.
    „Verdammt, Henk, schon eine Woche, und wir haben nichts.
Nichts!
Langsam fange ich an zu glauben, dass dieser Prick tatsächlich nur in Lamprechts Phantasie existiert. Vielleicht verarscht er uns auch einfach nur. Und jetzt hab ich zu allem Überfluss auch noch die Presse am Hals.“
    „Komm schon, die Presse haben wir doch immer am Hals. Hast du alle Informanten schon abgegrast?“
    Er nickte. „Entweder weiß keiner was, oder keiner traut sich, was zu sagen. Diese ganze Sache ist löchrig wie ein Schweizer Käse. Wir haben keine Leiche, kein Motiv, keinen Zusammenhang. Nur ein Handygespräch – und noch nicht einmal das hat stattgefunden!“
    „Und der Patient?“
    „Macht Fortschritte, aber redet nicht. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass er was weiß, Henk. Die Art, wie er nach Lukas gefragt hat. Er kennt ihn, und es ist ihm alles andere als gleichgültig, was mit ihm geschehen ist, das war offensichtlich.“
    „Was hast du mit ihm vor?“
    „Ich werde ihn gehen lassen. Wir haben nichts gegen ihn in der Hand.“
    Nachdem Henk van Buyten gegangen war, saß Martin Beier lange Zeit reglos vor seinem Schreibtisch und starrte die Wand an. Der Kaffee auf dem
Chronos
war eingetrocknet und ließ ein bräunlich verfärbtes, gewelltes Titelblatt zurück.
    Endlich griff er mit der linken Hand zum Telefon, zog mit der rechten eine Visitenkarte aus der Jackentasche und tippte die darauf abgedruckte Handynummer ein. Der Anruf wurde sofort angenommen.
    „Andersson.“
    „Martin Beier hier. Wenn Ihr Angebot noch steht, würde ich gerne darauf zurückkommen. Aber …

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