Der Kranich (German Edition)
gemerkt?“
„International-seagull.net.“
„Aber nur verschlüsselt.“
„Wofür hältst du mich?“
„
Don’t worry
– wir werden uns wiedersehen.“
Ralf blickte lange in Lukes blaugraue Augen und versuchte, darin eine Bestätigung seiner Worte zu finden.
Das Wetter hatte sich beruhigt. Der Freitagabend war ein klarer Winterabend, fast windstill und trocken. Es war nicht einmal allzu kalt.
Bevor Thomas Lamprecht das Haus verließ, hatte er sorgfältig alle seine Taschen geleert. Er hatte die Armbanduhr abgelegt und sie zusammen mit dem Diamantring und dem Glaspfeifchen in die Nachttischschublade gelegt. Die Brieftasche daneben. Nur ein paar Münzen für die Bahn hatte er eingesteckt – und das Handy.
Er hatte überlegt, Judith einen Brief zu hinterlassen, sich dann aber dagegen entschieden. Doch er hatte sich besonders liebevoll von ihr und Nina verabschiedet. Offiziell nur, um „rasch etwas zu erledigen“, es würde bestimmt nicht spät werden, hatte er gesagt.
Nun stand er am Ententeich im Schlosspark und wartete. Für das Gefühl, das ihn seit dem Vortag nicht verließ, hatte er weiterhin nur ein einziges Wort: Akzeptanz.
Es war okay. Er hatte versucht, sein kleines, unbedeutendes Leben in Ordnung zu bringen – ohne Erfolg. Er hatte Menschen in Gefahr gebracht, ohne es zu wollen, und nun war er bereit, den Preis dafür zu bezahlen. Seltsamerweise stellte sich nur beim Gedanken an Dr. Elvert eine leichte Wehmut ein. Inzwischen konnte Lamprecht sich nicht mehr vor der Tatsache verschließen, dass er es ehrlich meinte, und, wer weiß, vielleicht hätte er ihm ja tatsächlich helfen können. Schade, dass er einem wie ihm nicht früher in seinem Leben begegnet war, aber auch das war wahrscheinlich Karma. Oder Schicksal. Egal, wie man es nannte, im Endeffekt konnte man nichts dagegen tun. Wichtig war letztendlich nur, dass niemand mehr durch seine Schuld zu Schaden kam.
Er brauchte nicht allzu lange zu warten. Diesmal war der Brillenträger in Begleitung. Der Begleiter erinnerte Lamprecht entfernt an einen älteren Bruder von Barranquillas Gorillas, doch er benahm sich besser und war zweifellos gebildeter. Lamprecht machte keinen Versuch, sich zu wehren, als er unauffällig abgetastet und dann gebeten wurde, in eine unweit geparkte Limousine zu steigen. Die Fahrt war kurz und fand für Thomas Lamprecht mit verbundenen Augen statt, was er für völlig unnötig und etwas albern hielt, da er sich über den Ausgang des Meetings keinerlei Illusionen machte.
Der Wagen fuhr einen steilen Abhang hinunter und kam zum Stehen. Dem penetranten Abgasgeruch zufolge befanden sie sich in einer Tiefgarage. Mit weiterhin verbundenen Augen wurde Lamprecht zu einem Aufzug geführt, scheppernd schlossen sich die Türen, um sich Augenblicke später ebenso scheppernd wieder zu öffnen. Man führte ihn ein kurzes Stück über harten Boden, wahrscheinlich ein steingefliestes Treppenhaus, dann wurde eine Tür geöffnet und hinter ihm wieder geschlossen. Lamprecht, dem die Augenbinde langsam lästig zu werden begann, wartete darauf, dass man sie ihm abnahm, was jedoch nicht geschah. Unsanft wurde er auf einen Stuhl gesetzt, und seine Hände wurden hinter seinem Rücken an der Stuhllehne festgebunden. Die Riemen schnitten schmerzhaft in seine Handgelenke, und er begann zu hoffen, dass es schnell gehen würde. Seine Taschen wurden durchsucht, dann das Handy.
„Nichts Brauchbares drauf“, meldete der Brillenträger.
Dann erklang eine Stimme, die Lamprecht nicht kannte. Offensichtlich befand sich noch ein dritter Mann im Raum, und trotz der Angst, die nun schleichend in ihm aufzusteigen begann, empfand Thomas Lamprecht auch so etwas wie gespannte Erregung, denn dieser dritte Mann gehörte mit Sicherheit einer höheren Ebene an. Vielleicht war es sogar der Auftraggeber selbst, und inzwischen war klar, dass Lamprecht es nicht mit Amateuren zu tun hatte. Im Vergleich zu diesen Leuten war Barranquilla nur ein kleiner Straßendealer!
„Ich bedaure sehr, dass es jetzt unangenehm wird“, sagte die Stimme. Mittlere Stimmlage, nicht unsympathisch, vielleicht der Hauch eines amerikanischen Akzentes. „Aber ich fürchte, Sie lassen uns keine andere Wahl.“
Im selben Augenblick klatschte etwas Hartes in Lamprechts Gesicht, und er schmeckte Blut.
„Es kann schnell gehen oder etwas länger dauern, ganz wie Sie wollen.“
„Ich habe nichts mehr“, brachte er mühsam hervor. „Ich musste Schulden bezahlen.“
„Nein, nein.
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