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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Reizel
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machen.“
    „Ach ja? Du glaubst im Ernst, du bist in der Position mir vorzuhalten, dass ich mich nicht genug um sie kümmere? Wo bist du denn in den letzten sechs Jahren gewesen? Ich bin nicht diejenige, die weggerannt ist.“
    „Ich war immer für sie da.“
    Er hatte es kommen sehen. Aus irgendeinem Grund lief es immer wieder in dieselbe falsche Richtung. Er machte einen letzten Versuch, die Sache zu retten. „Bitte, Susanne, darum geht es doch jetzt nicht. Was ich dir sagen wollte, ist, dass sie jetzt Halt braucht. Es ist anders als damals bei Kalle. Es geht tiefer. Vielleicht hat es mit unserer Scheidung zu tun, aber ich halte sie einfach nicht für gefestigt genug, das so ohne Weiteres wegzustecken. Er hat ihr, glaube ich, wirklich sehr viel bedeutet.“
    Geräuschvoll stellte Susanne Beier ihr Glas auf dem Tisch ab. „Vielen Dank für die Nachhilfestunde in verantwortungsvoller Pädagogik. Wenn es dir nichts ausmacht, fahre ich jetzt heim, ich hatte nämlich schon einen ziemlich langen Tag.“
    Nachdem seine Ex-Frau gegangen war, stand Martin Beier am Küchenfenster und stellte sich zum x-ten Mal die sinnlose Frage, was er falsch gemacht hatte, während die Spaghetti im Sieb erkalteten. Das Ziehen in seinem Magen weitete sich zu einem fast unerträglichen Schmerz aus.

18
    Thomas Lamprecht drehte den kleinen Ring in seiner Hand nach allen Seiten. Es war ein wirklich schöner Stein! Gleichmäßig prismenförmig brach er das Licht und reflektierte es mit einem zarten roséfarbenen Schimmer. Doch er konnte sich nicht wirklich daran freuen, und das lag nicht nur daran, dass der Ring sich nicht an der Hand befand, für die er bestimmt war.
    Es sah nicht gut aus für ihn. Einstweilen hatte er sich in der Wohnung verbarrikadiert und verbrachte die meiste Zeit damit, auf dem Bett zu liegen und die Zimmerdecke anzustarren. Judith hatte es längst aufgegeben, wissen zu wollen, was los war, und ging ihrer eigenen Wege. Lösungen waren weit und breit nicht in Sicht, und allmählich wurde die Zeit knapp. Er konnte sich schließlich nicht ewig verstecken. Wieder einmal hatte er sich im Gestrüpp seines eigenartigen Schicksals verfangen. Schlechtes Karma? Mit einer ungeduldigen Bewegung richtete er sich auf und legte den Ring in die Plastikdose zurück, dann starrte er erneut die Decke an, die Arme hinter dem Kopf gekreuzt.
    Emotionslos spielte er die verbleibenden Optionen durch, nur um festzustellen, dass es nicht mehr viele gab. Der Gedanke, Kontakt mit Lukas aufzunehmen, war verführerisch und tauchte ständig von Neuem auf. Lukas war klug. Er hatte die Entwicklung abgesehen, lange bevor sie für ihn, Lamprecht, überschaubar war. Bestimmt würde er wissen, was zu tun war. Er würde einen Ausweg finden. Und wenn er nur wollte, konnte er der Organisation geben, was sie forderte. Doch energisch wischte Lamprecht den Gedanken immer wieder zur Seite. Lukas Stegmann war definitiv und endgültig aus der Sache raus. Er würde ihn unter keinen Umständen erneut in Gefahr bringen!
    Auch Barranquilla war raus. Er hatte bekommen, was er gewollt hatte, und würde ihn in Ruhe lassen. Also drohte auch Judith und Nina keine Gefahr mehr. Blieb das kleine Problem, das er mit dem Käufer des USB-Sticks hatte. Er versuchte sich einzureden, dass er das schon irgendwie in den Griff kriegen würde, dass die auch nur mit Wasser kochten und ihren Vorschuss irgendwann abschreiben würden. Er konnte immer noch einen bürgerlichen Job finden und ein neues Leben beginnen, auch ohne Strand und Palmen. Doch irgendetwas in ihm wusste, dass er sich etwas vormachte. Verzweifelt versuchte er, die nicht minder quälenden Gedanken an die Crackpfeife, die sich noch immer in seiner Manteltasche befand, aus seinem Kopf zu verbannen. Ob der Grund dafür nur war, dass er hoffnungslos pleite war, oder ob es auch etwas mit Dr. Elvert zu tun hatte, diese Frage stellte er sich nicht.
    Irgendwann, ohne dass es eine bewusste Entscheidung gewesen wäre, streckte er die Arme auf der Bettdecke aus und spürte in seinen Körper hinein. Dann begann er langsam, die linke Hand zur Faust zu ballen, genau so wie Dr. Elvert es ihm gezeigt hatte. Dann wieder lösen. Danach dasselbe mit der rechten Hand. Als er eine halbe Stunde später mit allen Muskelpartien durch war, fühlte er sich merkwürdig. Alle Gedanken und Probleme, die vorher da gewesen waren, waren noch immer da, und doch hatte sich etwas verändert. Es dauerte eine Weile, bis ihm der passende Begriff dafür

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