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Der Kranich (German Edition)

Der Kranich (German Edition)

Titel: Der Kranich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Reizel
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bekleidete Kellnerin das schäumende Glas vor ihn stellte, sagte er:
    „Prick.“
    Die Kellnerin machte eine Kopfbewegung in Richtung Eingangstür. Pross wandte sich um und gewahrte erst jetzt einen kräftigen Dunkelhaarigen, der allein an einem kleinen Tisch neben der Tür saß. Mehrere Tätowierungen schmückten seine muskulösen Arme. Auch er schien sich nicht besonders für die Tänzerin zu interessieren, musterte dafür jeden eintretenden Gast umso aufmerksamer.
    Mario Pross nahm sein Glas in die Hand und ging zu seinem Tisch hinüber.
    „Prick?“
    „Wer will das wissen?“
    „Jade schickt mich.“
    Jade war eine Hure, die im Dreifarbenhaus arbeitete. Pross suchte sie regelmäßig auf. Sie war lange im Geschäft und kannte alles und jeden in der Szene. Gegen eine entsprechende Sonderzuwendung schlug sie einem Stammkunden niemals eine Bitte ab.
    Der Dunkelhaarige schob mit dem Fuß den zweiten Stuhl zurück, und Pross setzte sich. Da der, der sich „Prick“ nennen ließ, nicht so aussah, als wäre er an einem Smalltalk interessiert, hielt Mario Pross es für das Beste, direkt und ohne Umschweife zur Sache zu kommen.
    „Ich brauche einen verlässlichen … Assistenten für einen Job.“
    „Welche Art Job?“
    „Ein Interview.“
    „Hat Jade dir nicht gesagt, dass ich so was nicht mache?“
    „Jade hat gesagt, dass du alles machst, wenn der Preis stimmt.“ Pross legte einen Umschlag auf den Tisch.
    Der Dunkle öffnete ihn mit zwei Fingern, warf einen Blick hinein und ließ ihn dann in die Innentasche seiner Jacke gleiten.
    „Wann?“
    „Morgen. Ich brauche auch … einen ungestörten Ort für das Interview. Kannst du da was arrangieren?“
    „Der Preis ist das Doppelte. Rest bei Erledigung.“
    „In Ordnung.“
    „Gib mir deine Nummer, ich rufe dich an.“

19
    Ralf biss sich auf die Lippe und stellte das Notebook auf dem Boden ab. „Du willst das also ernsthaft durchziehen?“
    Lukas war damit beschäftigt, sämtliche verbliebenen Kabel zusammenzurollen. Anschließend packte er sie zusammen mit dem Computer und ein paar Kleidern in eine Tasche. Den neuen Rechner ließ er aufgeklappt stehen, der Surfstick war noch aktiv. „Zeit, Abschied zu nehmen, Buddy.“
    „Nichts, was dich noch umstimmen könnte?“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Und du denkst wirklich, dass das funktionieren wird?“
    „Nur, wenn ich auf dich zählen kann.“
    „Das weißt du. Über was für ein Portal willst du’s schicken?“
    „Das Asperger-Forum. Ich bin dort bekannt.“
    „Du hast mir selbst erzählt, dass es mit den Providern Probleme geben kann …“
    Lukas lächelte. „Wenn es Probleme gibt – umso besser. Dann musst du dafür sorgen, dass es publik wird. So hätte die Sache wenigstens irgendeinen Sinn. Beim
Chronos
wirst du mit der Geschichte offene Türen einrennen.“
    Der
Chronos
war ein in vergleichsweise kleiner Auflage erscheinendes, politisch links gerichtetes Nachrichtenmagazin, das Bewegungen wie Attac oder Greenpeace nahestand. In den wenigen Jahren seit seiner Gründung hatte es allerdings bereits geschafft, zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die beiden etablierten Blätter zu werden, die den Markt zuvor unter sich aufgeteilt hatten. Immer mehr Menschen schätzten das Rückgrat und die Unvorgenommenheit, die die Beiträge der
Chronos
-Journalisten auszeichneten. Diese schreckten weder vor einer Free-Kevin-Mitnick-Kampagne zurück noch davor, sich mit der internationalen Anarcho-Syndikalismusszene zu solidarisieren, wenn es notwendig war. Natürlich war der
Chronos
Lukes bevorzugte Lektüre.
    „Ich bin kein Journalist, verdammt noch mal!“ Ralf setzte sich neben seinen Freund auf den Boden und begegnete seinem ernsten Blick.
    „Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, es zu erfahren, Ralf. Das ist jetzt dein Part.“
    Einige Zeit saßen sie schweigend nebeneinander, dann hob Lukas den Kopf. „Weißt du, was merkwürdig ist? Derjenige, über den ich mir am meisten Sorgen mache, ist … Darth Vader.“
    Wenn Ralf nicht so zum Heulen gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich gelacht. „Dieses Arschloch? Der hat dich doch in den ganzen Schlamassel überhaupt erst reingebracht! Du solltest dir lieber ein paar Gedanken über dich selbst machen.“
    „Nein, ich glaube, das siehst du falsch. Ich war derjenige, der die Büchse der Pandora geöffnet hat. Darth Vader ist nur ihr erstes Opfer.“ Eine Pause entstand. „Hast du dir die Adresse

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