Der Kranich (German Edition)
klingelte ein Handy.
„Verdammt, das ist seins!“
„Jetzt haben wir ihn“, war das letzte, was Thomas Lamprecht hörte, bevor ihn ein weiterer harter Schlag endgültig ins schwarze Nichts schickte.
Ich lauschte auf die monotonen Klingeltöne, die aus dem Handy drangen. Ich benutzte es nicht gerne, und in dieser Situation schon gar nicht, doch wenn die andere Seite über die Technik verfügte, von der ich glaubte, dass sie es tat, würden sie mich über den Festnetzanschluss genauso schnell finden. Und über das Festnetz würde die Polizei es zu leicht haben, eine Verbindung zwischen mir und Darth Vader herzustellen. Das Handy würden die anderen mitnehmen. So war es sicherer.
Trotzdem klingelte es bereits viel zu lange. Gerade als ich auflegen wollte, wurde der Anruf angenommen. Ich hielt den Atem an und wartete. Der andere wartete auch. Die Gedanken rasten durch meinen Kopf.
Leg auf!
schrie eine warnende Stimme.
Leg auf, sonst sind sie in weniger als einer halben Stunde hier!
Doch ich zögerte. Ein kleiner Funken Hoffnung wollte nicht erlöschen. Dann, endlich, wurde auf der anderen Seite das Schweigen gebrochen, und eine Stimme sagte: „Hallo?“
Es war nicht die Stimme von Thomas Lamprecht. Ich brach die Verbindung ab.
Während Karl-Heinz Emmerich den Computer startete und den Anruf entgegennahm, zog Igor Smirnow eine Einwegspritze aus der Jackentasche.
„Okay. Bringen wir’s zu Ende.“
Energisch stellte Mario Pross sich ihm in den Weg. „So war das nicht verabredet. Vielleicht brauchen wir ihn noch.“
„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich einen Zeugen zurücklasse. Der Kerl hat mich gesehen.“
„Jetzt beruhige dich mal, Prick. Das ist ein Ex-Knacki auf Bewährung, der wird sich hüten, das Maul aufzureißen.“
„Das Risiko ist mir zu groß.“
„Du bist nicht derjenige, der hier entscheidet.“
„Ich hab ihn“, unterbrach Emmerich die Diskussion. „Im Westen, keine zehn Minuten von hier.“
Mario Pross wandte sich um. „Woher wissen wir, dass er es ist?“
„Wissen wir nicht. Aber er hat sich nicht gemeldet. Außerdem …“, Emmerich hielt das Handy hoch, „… sind auf dem Ding hier nicht einmal eine Handvoll Gespräche. Es ist fabrikneu. Ich tippe, dass er’s ist. Wir sollten uns beeilen.“
Smirnow sah Pross mit einem Blick an, der Emmerich einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
„Du kommst mit uns“, sagte Pross unbeeindruckt. „Dein Job ist noch nicht zu Ende. Dreh das Wasser auf, das wird die Spuren beseitigen.“
„Es war nicht geplant, so eine Schweinerei zu hinterlassen“, protestierte der Russe. „Was soll ich dem Typen sagen, dem die Wohnung gehört?“
„Du kannst gerne hier bleiben und sauber machen. Aber wenn du deine Kohle willst, würde ich dir empfehlen, endlich den Mund zu halten. Wir haben keine Zeit für diesen Scheiß.“
Smirnow zögerte einen Moment, fluchte und schob die Spritze in die Tasche zurück. Dann ging er ins Bad und drehte das Wasser voll auf, bevor er seinen Auftraggebern hinterhereilte, die sich bereits auf dem Weg zur Tiefgarage befanden.
Ich löschte die Nummer aus dem Speicher, obwohl das genau genommen überflüssig war. Dann führte ich eine Ortung durch. Lamprechts Handy befand sich im Süden, irgendwo im Bereich der Neuen Weinsteige. Es blieb mir nicht viel Zeit, aber es würde reichen.
Eilig loggte ich mich im Asperger-Forum ein und schrieb meinen letzten Text. Es waren nur wenige Zeilen, doch ich wusste, dass diese eine Kettenreaktion in Gang setzen würden.
Nur, was mit Thomas Lamprecht war, wusste ich noch immer nicht, doch dafür blieb nun keine Zeit mehr. Ich schloss das Notebook und packte es zu allem anderen und den Tablettenschachteln in die kleine Reisetasche. Das Handy ließ ich neben dem Kranich am Boden liegen. Ich schlüpfte in eine Jacke, hängte mir die Tasche über die Schulter und verließ die Wohnung, ohne mich noch einmal umzusehen.
Die Tür ließ ich einfach offenstehen. So brauchten sie sie nicht einzutreten.
20
Es war genau zwanzig Minuten nach fünf am Samstagmorgen, als Nadine Friedmann, diensthabende Administratorin des Asperger-Forums in Leonberg, den Beitrag entdeckte. Sie zögerte keinen Augenblick, sondern griff zum Telefon und rief die Polizei an.
Die Beamten trafen innerhalb von Minuten bei ihr ein, machten sich ein Bild von der Situation, notierten die IP-Adresse des Absenders und informierten unverzüglich die Kollegen in Köln. Dort befand sich die zuständige
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