Der Krankentröster (German Edition)
Palliativdienst.
Was ist eine Palliativstation?
Auf der Palliativstation geht es erst einmal um die Versorgung der Vitalfunktionen und eine gute Schmerzeinstellung. In der Regel kann man zwölf Tage dort bleiben und geht dann wieder nach Hause. Es ist ja noch kein Hospiz. Zu Hause kann man bei Bedarf von Hospizhelfern betreut werden.
Was war bisher Ihr traurigster Fall?
Das kommt immer darauf an, was für eine Bindung ich zu den Leuten habe. Für mich ist es immer sehr traurig und unverständlich, wenn ich erlebe, wie junge Menschen, die noch kleine Kinder haben und die Strecke ihres Lebens noch nicht gelebt haben, an einer lebensbedrohenden Krankheit erkranken. Obwohl ich gerade empfinde, dass diese Menschen die meiste Kraft haben. Denn je mehr Zukunft wir vor uns haben, desto mehr Kräfte haben wir.
Und Ihr schwerster Fall?
Das kann ich so nicht sagen. Das Letzte, was ich erlebt habe, war ein junger Patient, Jahrgang ’78, der eine Tumorerkrankung hatte und eine Lebertransplantation bekam. Was sehr selten bei Tumorpatienten ist. Nach der Transplantation verbrachte er 21 Tage auf der Intensivstation. Nach zwei Monaten bekam er ein Rezidiv und ist verstorben. Er war geschieden und alleinerziehender Vater von zwei Kindern. Das hat uns schon alle sehr mitgenommen. Da ist es auch wichtig, dass wir alle zusammenarbeiten und man jemanden hat, mit dem man reden kann.
Wie schaffen Sie es, das Erlebte zu verarbeiten?
Ich weiß es nicht genau. Man kann halt sagen, dass ich wohl gelernt habe, dass es nicht mein Schicksal ist.
Wie können Sie den Schwestern und Ärzten helfen? Sind es Todesfälle, die Sie beschäftigen?
Es sind nicht nur Todesfälle. Es ist auch die Belastung durch die Institution. Das haben Sie doch auch auf Ihrer Station erlebt, wie schnell die Leute dort behandelt und wieder entlassen werden müssen. Das ist ein Riesending und macht sehr viel Arbeit. Wenn es ums Sterben geht, helfen wir uns gegenseitig. Ich habe zum Beispiel einen guten Blick dafür, wie weit jemand im Sterben liegt, und werde dann gerufen.
Wenn der Sterbende merkt, dass ihn die Kräfte verlassen und es nicht mehr geht, wird er ganz ruhig und willigt ein. Er will dann auch eigentlich gar nichts mehr. Mein Mann ist zu Hause verstorben, wie früher, er hat aufgehört zu essen und zu trinken und ist eingeschlafen.
Was hätten Sie noch für einen Tipp für Laien, wie sie mit einem schwerkranken Menschen umgehen sollten?
Ich habe da nur einen einzigen Tipp. Sie immer zu fragen, was sie brauchen. Denn das ist sehr schwierig herauszukriegen. Also, sag mir, was du brauchst! Denken Sie mal an Ihren Zustand damals, was haben Sie gebraucht? Um zwölf Uhr das und um drei Uhr etwas anderes. Also fragen Sie: »Du, ich weiß es nicht, sag’s mir! Was brauchst du! Sag mir: Willst du angerufen werden oder nicht. Sag mir: Wollen wir reden, oder wollen wir schweigen. Sag mir: Wollen wir spazieren gehen, oder was wollen wir. Sag’s mir!« Und ich sage noch oft dazu: »Sag’s mir für die nächste Stunde, und dann frage ich wieder.«
Hat Ihrer Meinung nach die persönliche Einstellung eines Patienten Einfluss auf seinen Behandlungserfolg? Zum Beispiel wenn er besonders positiv denkt?
Da habe ich ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Weil ich finde, dass jeder auf seine Art ums Überleben kämpft. Bei Leuten, die zum Beispiel klagen, dass alles so schrecklich sei und doch alles keinen Sinn macht, denke ich oft, mein Gott, die leben ewig.
Man sollte sich nicht dem Druck aussetzen, immer positiv denken zu müssen. Die Sorge kommt zwischendurch immer mal wieder, so wie die Hoffnung.
Also, sollte man sich nicht für die Sorge schämen?
Ja, sich nicht für die Sorge schämen. Ich sage immer: Es geht hin und her. Und das ist normal. Man ist verzweifelt, hoffnungsvoll, oder manchmal packt einen der Schauder. Dann hat man wieder Mut. Und es ist wichtig, dass man sich für nichts davon schämt.
Denken Sie, dass Humor hilft?
Ganz wichtig! Lachen ist so wichtig. Ich sag’s Ihnen. Es ist eine solche Befreiung, mal richtig zu lachen. Selbst wenn jemand, den man gut kennt, ein Rezidiv hat und dann sagt: »Also, wissens’, diese verdammten Tumore, am besten, einer hält ihn fest und der andere verprügelt ihn!« Dass man einfach gemeinsam laut lacht. Ich finde, die Klinikclowns sollten nicht nur in den Kinderkliniken auftreten, sondern auch hier. Auch wenn man Fehler macht, sich an den Kopf zu fassen und zu sagen: »Das darf
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