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Der Krankentröster (German Edition)

Der Krankentröster (German Edition)

Titel: Der Krankentröster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen von der Lippe , Gaby Sonnenberg
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doch nicht wahr sein, ich glaube, du brauchst eine Nachschulung.« Ja, das gemeinsame Lachen mit anderen halte ich für ganz wichtig.

    Auch schwarzen Humor?

    Ja, schwarzen Humor auch. Ich weiß, dass viele nicht gerne zu den Psychoonkologen gehen, weil sie die Vorstellung haben es wird nur ganz ernst über die Vergangenheit gesprochen. Doch es ist wichtig, sich mit dem Leben im Hier und Heute zu beschäftigen. Was macht das Leben mit uns? Was hält es für uns bereit? Was probieren wir mal aus? Einfach so. Mir hat der Humor immer geholfen. Selbst bei Sterbeprozessen, was haben wir da teilweise gelacht. Und die Menschen, die wissen, dass sie sterben müssen, haben so gerne jemanden, mit dem sie lachen können.
    Und zum Abschluss sagte sie mir noch den für mich einleuchtenden Satz:
    Wer gläubig ist, stirbt nicht unbedingt leichter. Das ist keine Garantie. Sondern der, der zu einem großen Teil das Leben gelebt hat, das er sich gewünscht hat. Je größer der Mangel, desto schwerer ist es. Und ich sage Ihnen noch eins: Die immer so gesund gelebt haben, immer nur Körner und so etwas gegessen, die werden auch sehr schwer damit fertig.
    So, lieber Jürgen, nun wünsch ich Dir eine ruhige Nacht ohne Aufputschinfusionen und schreibe morgen fleißig weiter.

    Liebe Grüße
    Gaby

    Guten Morgen Jürgen,

    als ich heute aufwachte, mir meinen Kaffee machte und halb verschlafen in den Schnee schaute, dachte ich daran, was ich Dir noch vor dem Einschlafen geschrieben hatte. An die Mitleid-Schadenfreude-Geschichte. Und bemerkte, dass es da noch eine andere Form gibt, mit seiner Krankheit umzugehen, nämlich die »Ich bin im Mittelpunkt des Leidens und alle anderen hat es natürlich nicht so schlimm erwischt wie mich«-Form. Nennen wir es vielleicht die komplette Unfähigkeit, sich in das andere Gegenüber hineinzuversetzen, und das große Bedürfnis, sich in den Mittelpunkt zu stellen. Das gibt es auch.

    Und dazu hätte ich zum Beispiel folgende Geschichte, die ich erlebt habe.

    Nun denkt man als Privatpatient mit Einzelzimmer im Vertrag stehend man würde auch ein solches bekommen, wenn man mal ins Krankenhaus müsste. Nein, Pustekuchen. Die meisten Krankenhäuser haben gar nicht die Raummöglichkeiten, dem nachzukommen. Mein Bruder, der Vermögensberater ist, sagt, dass die meisten seiner Kunden keinen Vertrag mehr mit einem Einzelzimmerzuschlag abschließen, da sie oft gehört haben, dass dieser gar nicht erfüllt werden kann. Nun, so auch nicht auf meiner Station. Da gab es nur zwei Einzelzimmer und zwei Zweibettzimmer, der Rest waren Dreibettzimmer. Und so war ich schon glücklich, als ich nach ein paar Tagen zumindest in ein Zweibettzimmer durfte. Doch die Freude hielt nicht lange an. Ich lag mit einer wohl schon fast neunzigjährigen Frau zusammen, die wirklich nett war. Keine Frage. Aber ein Problem hatte sie, sie konnte nicht aufhören zu reden, und keiner war natürlich so krank wie sie.

    Man muss sich das so vorstellen: Die Ärzte hatten mir noch eine Woche vorher erklärt, dass sie die Therapie bei mir mit einer sehr starken, siebentägigen Nonstop-Hochdosischemo durchführen würden. Also, sieben Tage, 24 Stunden lang sind fiese Flüssigkeiten in mich hineinlaufen. Ihrer Meinung nach war ich in einem gesundheitlich guten Zustand, jung und ohne Vorerkrankungen und würde es überstehen. Der Erfolg später sprach auch dafür, und ich bin ihnen für diesen damaligen Hammerschlag, bei dem es mir natürlich sehr schlecht ging, dankbar. Ich glaube nicht, dass wir es sonst geschafft hätten, nach nur einem Chemozyklus die Blasten von 80 % auf 0,0 % zu kriegen. Und hätten sie es nicht geschafft, wäre nur eine Blaste übrig geblieben, na ja, weißt Du ja schon, hätte ich einer Transplantation bedurft. Nun gut, ich beschreibe das nur, damit man vielleicht verstehen kann, wie schlecht es mir ging. Ich konnte keine Nahrung mehr in mir behalten, hatte Sturzblutungen, eine Darmperforation, bei der E-coli ins Blut gelangt waren und es denen dort gut gefiel, da es dort keine Konkurrenten gibt, und eine angehende Lungenentzündung usw. Also eine schlimme Zeit während und nach der Chemo, und während man so mit seinem Leben kämpft und die schlimmste Zeit seines Lebens durchmacht, liegt nun jemand neben einem, der darüber happy ist, seit Jahren wieder sozialen Kontakt zu haben und seine Lebensgeschichte zu erzählen. Und das in hundertfachen Ausführungen und Wiederholungen, denn wir lagen ja fünf Wochen zusammen.

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