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Der Krater

Titel: Der Krater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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losgelassen hast. Ich werde dich nie wieder Feigling nennen.«
    Jackies Zittern ließ nach. »Ich war wahnsinnig wütend«, erklärte sie.
    »Das kannst du laut sagen.« Abbey wischte sich selbst das Blut aus dem Gesicht, riss sich zusammen und legte die Hände wieder fest aufs Steuer. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Kartenplotter zu und überlegte, wo sie am besten an Land gehen sollten. »Fahren wir schnurstracks nach Owls Head«, schlug sie vor, »sehen zu, dass wir von Bord kommen, und rufen die Polizei.«
    »Die kannst du jetzt gleich rufen«, entgegnete Jackie und schaltete das Funkgerät ein. Sie warteten, während das Gerät warm lief. Das Boot schwang nach Norden in den Kanal ein, umfuhr eine geschützte Insel und kam am Südende der Penobscot Bay wieder aufs offene Wasser hinaus. Eine mächtige Welle ließ es erzittern, und Abbey sah zu ihrer Überraschung hohe Wellen von Osten kommen, die Sorte starker, rollender Dünung, die einem schweren Unwetter vorausging. Es war dunkel. Sie blickte hoch, und ihr fiel erst jetzt auf, dass der Mond schon seit einer Weile hinter Wolken verborgen war. Der Wind frischte stetig auf, und am Horizont zuckten Blitze.
    Sie richtete das Standmikrofon auf, stellte Kanal 16 ein, drückte den »Senden«-Knopf und setzte einen Notruf an die Küstenwache ab.

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    H inter dem Felsen, auf den er sich zum Schießen gestützt hatte, richtete Harry Burr sich auf und sah zu, wie das Boot zwischen den Inseln verschwand. Er schob sich die Waffe in den Gürtel und stützte sich mit hämmerndem Schädel an dem Felsen ab. Er spürte, dass ihm immer noch Blut aus dem Ohr und vom Kopf hinabrann. Er befühlte die wachsende Beule seitlich an seinem Kopf und wurde von unbeherrschbarer, rasender Wut überwältigt, so machtvoll, dass er Sternchen sah. Zwei kleine Schlampen hatten alles versaut, ihm halb den Kopf eingeschlagen, sich sein Boot genommen. Sie hatten ihn gesehen und konnten ihn identifizieren. Die Sternchen kreiselten vor seinen Augen, und er fühlte die Wut als beinahe körperlichen Druck hinter der Stirn, wie ein zornig summender Bienenschwarm, der daraus entkommen wollte.
    Es ging um alles – er oder sie. Wenn er sie nicht einholte und umbrachte, war er am Ende. So einfach war das. Falls sie das Ufer erreichten, wäre er am Arsch.
    Er warf das leere Magazin aus, lud es mit einzelnen Patronen, die er in der Hosentasche trug, und ließ es wieder einrasten. Ihm blieb nicht viel Zeit. Aber noch war nicht alles verloren. Er hatte noch das andere Beiboot und ein seetüchtigeres Schiff – und dazu noch ein Ass im Ärmel: den Vater.
    Burr ignorierte den hämmernden Kopfschmerz, joggte den Strand entlang und in den Wald. Er zog das Ruderboot aus dem Gebüsch, holte die versteckten Ruder, warf sie hinein und schleifte das Boot zum Strand hinunter. Er legte ab und ruderte in Richtung der vor Anker liegenden
Halcyon
. Die war nicht besonders schnell, aber er vermutete, dass sie schneller war als die
Marea II
, die immerhin nur ein Fischerboot war und keine Yacht.
    Er ruderte mit dem Strom, und dabei fiel ihm auf, wie dunkel es geworden war, und wie sehr der Wind aufgefrischt hatte. Selbst hier im Schutz der Inseln bildeten sich Schaumkronen auf den Wellen, und der Wind stöhnte in den Fichten. Er konnte das ferne Donnern der Brandung an den äußeren Inseln hören, eine Meile weit weg.
    Er überquerte den Kanal, und als er um die Landspitze der Nachbarinsel ruderte, kam die
Halcyon
in Sicht. Er konnte den dunklen Umriss des Fischers sehen, der mit beiden Händen an die Heckreling gefesselt war.
    Er stieß gegen das Schandeck, kletterte an Bord und band das Beiboot an. »Passen Sie auf, Straw, wir haben was zu erledigen.«
    »Wenn Sie meiner Tochter ein Haar krümmen, bringe ich Sie um«, sagte der leise. »Ich finde Sie, wo immer Sie …«
    »Jaja.« Er ging schnurstracks zum Funkgerät und schaltete Kanal 16 ein. Wenn er eines sofort tun musste, dann das Mädchen daran hindern, die Küstenwache anzufunken.

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    A ls Abbey sich und ihr Boot identifiziert hatte und den Sendeknopf losließ, meldete sich sofort eine heisere Stimme. »Abbey? Da bist du ja!«
    Das war die Stimme des Killers. Er hatte es zurück auf sein Boot geschafft und offenbar den Notrufkanal abgehört.
    »Sie Drecksack, Sie sind geliefert«, begann sie.
    »Na, na! Bitte nicht solche Ausdrücke auf einer offiziellen, behördlichen Frequenz, noch dazu, wenn dein Vater dich hören kann.«
    »Mein … was?«
    »Dein Vater.

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