Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
dieser Seite, Das ist kürzer.«
»Vielen Dank, Schwester. Und einen schönen Tag noch.«
»Gott beschütze Sie – und vor allem den armen Mr Hadden.«
»Hier entlang«, sagte Rebekka und wies mit dem Kopf in die betreffende Richtung.
Nach wenigen Schritten stießen sie auf die Tür zum Treppenhaus. Sie überwanden vier Stockwerke und gelangten schließlich auf die Abteilung, in der Hadden lag. Schnell hatte Rebekka das besagte Zimmer gefunden. An der Tür erlahmte jedoch ihr Eifer. Unsicher blickte sie in Davids Augen.
Der klopfte vorsichtig an die Tür und öffnete, ohne eine Antwort abzuwarten. Gemeinsam betraten sie das Krankenzimmer.
Dem Raum war anzusehen, dass hier ein besonderer Patient logierte. Die Fenster besaßen frisch gestärkte Vorhänge. Es gab eine kleine Sitzgarnitur mit einem runden Tischchen. Und in der Mitte stand ein einzelnes Bett.
David erschrak. Britons Aussehen übertraf alle seine Befürchtungen. Während der Seereise hatte er ausreichend Gelegenheit gehabt, sich die schlimmsten Szenarien auszumalen. Aber auf diesen abgemagerten, hinfälligen Menschen war er nicht gefasst gewesen. Briton Hadden war erst einunddreißig, aber der Mann dort im Bett hätte ebenso gut einundneunzig sein können.
»Brit, hörst du mich?« David nahm die knöchern wirkende Hand seines Freundes und drückte sie behutsam. Mit Schaudern blickte er in das eingefallene Gesicht. Es zeigte keinerlei Reaktion.
Rebekka näherte sich dem Bett von der anderen Seite und küsste Briton auf die Wange. »Wenn du schon mit Francis nicht reden willst, dann doch wohl wenigstens mit mir«, sagte sie mit gespielter Fröhlichkeit. »Oder kennst du deine kleine Freundin Rahel nicht mehr?«
Mit einem Mal bewegte sich Britons Mund. Fast, als wolle er einen seltenen Wein kosten. Endlich schlug er die Augen auf und blickte müde in Rebekkas Gesicht. Er brachte sogar ein Lächeln zustande, aber man sah, wie schwer ihm dies fiel. »Wie machst du das nur, immer schöner zu werden, während ich mit jeder Minute älter aussehe?«
Rebekka nahm seine andere Hand, doch wollte ihr keine passende Antwort einfallen.
David spürte ihren Kummer. Sie hatte diesen einst so lebenslustigen Mann genauso gemocht wie er. Wie nur konnte er sich so verändert haben? Einst hatte er drahtig gewirkt, jetzt war er nur noch hager, früher stets energiegeladen, erschien er nun gänzlich ausgebrannt; er hatte einmal volles braunes Haar gehabt, von dem nur mehr eine dünne, am Kopf klebende Masse verblieben war; seine vorher lebendig funkelnden dunklen Augen glommen schwach.
Als sich David wieder einigermaßen gefasst hatte, fragte er: »Was ist mit dir geschehen?«
Briton schmatzte, antwortete jedoch nicht.
»Möchtest du etwas trinken?«
Erst kam keine Reaktion, aber dann nickte Briton und sagte mit schwacher Stimme: »Helft mir, mich aufzurichten.«
David hob vorsichtig den Oberkörper des Freundes an und Rebekka ließ das Kopfteil des Bettes in einer höheren Position einrasten. Nachdem sie das Kopfkissen aufgeschüttelt hatte, ließ David den Kranken nach hinten sinken. Danach hielt er ihm ein Glas mit Wasser an die Lippen. Während Briton in kleinen Schlucken trank, kämpfte David gegen Bilder aus der Vergangenheit an. Genauso hatte er auf dem Schlachtfeld verletzten Kameraden beigestanden. Nicht die Schwere der Verwundung, sondern der Wille zum Weiterleben hatte damals oft über Leben und Tod entschieden.
Nach einer Weile schien sich der Patient besser zu fühlen, denn er lächelte schwach und sagte: »Die Ärzte behaupten, es sei eine Infektion, aber sie wissen weder genau, woher sie kommt, noch was sie dagegen unternehmen sollen.«
»Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben«, antwortete David.
»Wir wollten dich eigentlich zum Patenonkel unseres Erstgeborenen machen«, bemerkte Rebekka, die wohl Davids Gedanken erriet.
Briton sah sie überrascht an. »Heißt das etwa, du wirst…?«
Rebekka nickte lächelnd. »Ja, wir bekommen ein Kind.«
»Das freut mich für euch.« Briton atmete schwer. Das Sprechen schien ihn viel Kraft zu kosten. Nach einer Weile wandte er sich wieder David zu. Wie unter großen Schmerzen verzog er das Gesicht und zwang sich zu den Worten: »Ich hatte Henry gebeten, dir zu telegrafieren. Es gibt etwas, was ich dir sagen muss, bevor…« Wieder erstarb die Stimme des Kranken. Aus seinem Mund war nur noch ein Röcheln zu hören.
»Er bekommt keine Luft«, stieß Rebekka hervor. »Sieh dir seine Lippen an. Sie sind
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