Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
selbst kenne das Cottage nur von Fotografien. Ich könnte dort vielleicht ein Buch schreiben und alle zusammen würden wir uns den milden Wind um die Nase blasen lassen, mit den Kindern und den Schäferhunden Wollknäuel über die Weiden jagen…«
Rebekka legte ihr Ohr wieder auf Davids Herz, und während sie dem kräftigen Pochen lauschte, seufzte sie: »Das wäre schön! Lass uns diesen Belial möglichst bald dorthin zurückschicken, wo er hergekommen ist, ja?«
Seine Hand vergrub sich in ihrem üppigen schwarzen Haar. »Ich werde mein Bestes tun. Das verspreche ich dir.«
Die Durchquerung des nordamerikanischen Kontinents, einschließlich dreier außerplanmäßiger Zwischenstopps, beanspruchte Davids Geduld um weitere zweiundsechzig Stunden. Als sie am Morgen des 16. August in der Grand Central Station den Zug verließen, fühlte er sich trotz Schlafabteil wie gerädert. Vielleicht war es auch die Sorge um Brit, die ihm so zusetzte. Rebekka hatte die Strapazen erstaunlich gut verkraftet.
Noch vom Bahnhof aus rief David in der Time-Redaktion an. Henry Luce freute sich, Davids Stimme zu hören, wurde jedoch schnell sehr ernst. David habe Glück ihn zu erreichen, weil er zurzeit mehr im Krankenhaus arbeite als im Büro. Eine Infektion habe Brits Körper sehr geschwächt. Die Ärzte sagten, man müsse mit dem Schlimmsten rechnen. Henry gab David die Adresse des St. Vincent’s Hospital und riet, die beiden sollten sich direkt dorthin begeben. Er selbst wolle so bald wie möglich nachkommen.
David und Rebekka nahmen sich ein Taxi und ließen sich samt Gepäck zur Seventh Avenue chauffieren. An der Ecke zur Elften Straße stiegen sie aus und brachten wenige Augenblicke später einen schnauzbärtigen Pförtner fortgeschrittenen Alters gegen sich auf, weil sie samt Koffer und Reisetaschen in sein steriles Reich eindringen wollten. David vergeudete kostbare Minuten mit den verzweifelten Beteuerungen, er wolle in den Taschen weder Krankheitskeime einschleppen noch strebe er eine längere Belagerung des Krankenhauses an. Er selbst sei kerngesund, käme aber gerade aus Japan und habe schlichtweg noch nicht die Zeit gefunden, sein Gepäck irgendwo zur Aufbewahrung zu geben.
Der Pförtner hielt die Reisestory für drittklassig und drohte mit den kräftigen Pflegern aus der psychiatrischen Abteilung.
»Guter Mann!«, ereiferte sich David, mühsam um Beherrschung kämpfend. »Machen Sie meinetwegen mit den Koffern, was Sie wollen. Mein Freund ist sterbenskrank! Ich muss jetzt zu Briton Hadden. Komm, Rebekka.«
Die beiden eilten in das Hospital und nahmen den nächstbesten Quergang, um zunächst dem strengen Blick des Pförtners zu entkommen. Nach einigen überraschenden Richtungswechseln, die jeden etwaigen Verfolger abgeschüttelt hätten, blieb David schließlich ratlos stehen. »Ich glaube, wir haben uns verlaufen.«
Rebekka blickte den Gang entlang. Auf dem Fußboden schimmerte braunes Linoleum. Die Wände glänzten von blassgelber Ölfarbe. An der Decke reihten sich leuchtende Rosetten mit Glühlampen. In der Nähe standen zwei rollbare Betten mit schneeweißen Laken. »Hat Henry dir nicht erzählt, wo wir hinmüssen?«
»Ehrlich gesagt, nein. Er hat wohl angenommen, dass wir etwas besser mit dem Wachposten zurechtkommen.«
»Nicht wir, du, Liebster! Ich bin gänzlich unschuldig an deinem Scharmützel. Aber so, wie’s hier aussieht, ist das ein Krankenhaus wie jedes andere.«
»Hört, hört, die Tochter einer Medizinpionierin spricht! Und was soll das heißen?«
»Dass es hier Ärzte und Krankenschwestern gibt.«
Noch bevor David diese schlichte Weisheit ganz verarbeitet hatte, ging Rebekka schon einem leisen Summen nach, das aus einem Seitengang kam. Sie blieb an der Einmündung des Flurs stehen, David konnte also nicht erkennen, wem sie sich da zuwandte, er hörte sie nur fragen: »Entschuldigen Sie, Schwester, ist Ihnen vielleicht zufällig bekannt, in welchem Zimmer wir Mr Briton Hadden finden können? Wir sind Freunde und wollen ihn gerne besuchen.«
»Mr Hadden?«, antwortete eine ungewöhnlich tiefe Frauenstimme, in der ein betroffener Ton mitschwang. »Ganz St. Vincent’s weiß, wo der arme Mann liegt. Kommt schließlich nicht oft vor, dass sich so prominente Leute in unser Hospital verirren. Sie finden Mr Hadden in Zimmer 623, im sechsten Stock.«
»Danke«, antwortete Rebekka und wollte schon zu David zurückkehren, aber da ertönte noch einmal die tiefe Stimme.
»Nehmen Sie das Treppenhaus auf
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