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Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder

Titel: Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Gleichwohl kam kein Übermut auf. Britons viel zu früher Tod steckte allen tief in den Knochen.
    Weil Henry Luce sah, wie sehr auch David unter den jüngsten Ereignissen litt, drängte er ihn zum Schreiben. Die Arbeit würde ihm helfen, seine Gedanken zu ordnen. Obgleich David nicht der Sinn danach stand, ließ er sich schließlich doch überreden und verfasste einen Artikel über die Kämpfe der sowjetischen und chinesischen Truppen an der Grenze zur Mandschurei.
    Abgesehen von den gelegentlichen Stippvisiten in der Redaktion arbeitete David ausschließlich zu Hause. Hier konnte er sich mit der gebotenen Aufmerksamkeit seiner schwangeren Frau widmen. Rebekka entwickelte nämlich in der letzten Zeit merkwürdige Verhaltensmuster, war manchmal reizbar wie eine Löwenmutter, dann wieder liebebedürftig wie ein junges Kätzchen. Mit Befremden beobachtete David ihre überraschenden Fressanfälle, die sie im massenhaften Konsum von absonderlich zusammengestellten Nahrungsmitteln auslebte.
    Mitte September kreuzte Henry Luce in Greenwich Village auf Es war bereits spät am Abend, David fühlte sich zerschlagen. Rebekka hatte sich in den letzten Stunden vor Übelkeit mehrmals übergeben und er sie auf dem wiederholten Weg zur Toilette fürsorglich gestützt. Henry überbrachte aufregende Neuigkeiten.
    »Ich glaube, wir haben etwas gefunden, Francis.«
    David war sofort hellwach. »Etwa über Kelippoth, die Scherben des Bösen…?«
    »Von wegen Scherben, Kelippoth ist ein Mensch!«
    »Wie bitte?«
    Henry nickte begeistert. »Weißt du noch, wie du mich an Brits Sterbebett nach der Washington Post fragtest?«
    »Natürlich. Brit hatte sie ›und andere Blätter‹ erwähnt.«
    »Beim Ausmisten von Brits Büro ist mir seine Ilias in die Hände gefallen.«
    »Du meinst das Buch, in dem er alle seine Lieblingswörter notiert und angestrichen hat?«
    »Genau. Fast kommt es mir so vor, als wollte er, dass wir den Zettel dort finden. Er war genau an der Stelle eingelegt, wo Homer den Tod des Achilles beschreibt.«
    Des beinahe unverwundbaren Göttersohnes, fügte David in Gedanken hinzu. Er musste an seine eigene Lebensgeschichte und an eine steinerne Schildkröte in Tokyo denken. »Was für ein Zettel denn, Henry? Nun mach’s doch nicht so spannend!«
    »Es ist nur eine Notiz. Hier, lies selbst.« Henry nahm ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Brusttasche, auf dem in Brits unverkennbarer Handschrift nur wenige Worte standen.
     
    Lucius Kelippoth: Graue Eminenz – Wie groß ist sein Einfluss auf die Post und all die anderen Blätter?
     
    »Lucius Kelippoth?«, wiederholte David leise den Namen und gab Henry den Zettel zurück. »Ich könnte wetten, er heißt in Wirklichkeit anders. Kennst du diesen Mann?«
    »Es gibt da gewisse Gerüchte. Brit erwähnt hier die Post – nach seinen letzten Worten nehme ich an, er meinte damit die Washington Post. Es wird gemunkelt, eine bestimmte Person versuche im großen Stil Beteiligungen an wichtigen Zeitungen des Landes zu erwerben. Wir selbst sind von solchen Angeboten bisher verschont geblieben, aber Ochs von der New York Times hat mir erzählt, jemand habe ihm ein Jahr lang die Tür eingerannt, um sich ein nennenswertes Stück des Renommierblattes zu sichern. Ochs hat ihn zum Teufel gejagt.«
    Geh nicht so leichtfertig mit diesem Wort um, Henry! »Hieß dieser Jemand zufällig Lucius Kelippoth?«
    »Nein, daran müsste ich mich erinnern. Der Name lautete anders…«
    »Denk nach, Luce! Es ist wichtig!«
    »Das mag ja sein, aber ich komme im Moment trotzdem nicht darauf. Am besten rufe ich Ochs an. Der wird ihn mir stante pede ins Ohr jammern.«
    David nickte. Hinter seiner ernsten Miene arbeiteten fieberhaft die Gedanken. War dies endlich jene heiße Spur, nach der er schon so lange Jahre gefahndet hatte?
    »Hast du zufällig auch einen Bekannten bei der Post?«
    »Du meinst jemanden wie Ochs?«
    »Wenn das Blatt wirklich einen stillen Teilhaber hat, dann dürfte sich der Herausgeber in dieser Frage wohl bedeckt halten. Ich dachte eher an eine Person aus dem zweiten Glied, jemand, der die Entwicklungen seines Blattes kritisch verfolgt.«
    »Wie wär’s mit dem Chefredakteur für die Innenpolitik?«
    »Klingt gut.«
    »Warte, lass mich nur erst mein schlaues Büchlein zücken. Ich schreibe dir seinen Namen und die Telefonnummer auf.«
    David beobachtete gespannt, wie Henry ein kleines schwarzes, in Leder gebundenes Notizbuch aus der Brusttasche zog und einige flinke Zeichen

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