Der Kreis der Dämmerung 02 - Der Wahrheitsfinder
Schrein, fehlte von der Leiche Sumiyoshi Akashis jede Spur. Vermutlich hatte Ba Xun sie beseitigen lassen.
David rannte in den Garten des Heiligtums hinaus und von dort zur nach wie vor unverschlossenen östlichen Pforte. Wieder auf der Straße, schlug er sogleich den Weg zum Beobachtungsposten des Geheimdienstes ein.
Dort angekommen, fasste David für Junzo Yamagishi in knappen Worten die Ereignisse der zurückliegenden Stunden zusammen. Der Agent ordnete die sofortige Erstürmung des Toyama-Anwesens an. Wie erwartet, wussten weder die Polizei noch Kidos Geheimdienst etwas vom Tod des Shintopriesters.
»Einige ehrenwerte Herren werden bald sehr traurig sein«, sagte David. »Sie werden nämlich keine Bestechungsgelder mehr von der Amur-Gesellschaft kassieren können. Kantaro Toyama ist vor wenigen Minuten verstorben und hat keinen Nachfolger ernannt.«
Yamagishi schien etwas ganz anderes zu beschäftigen. Er starrte schon die ganze Zeit auf die große Glaskugel, die David in den Händen hielt. »Das da ist doch Toyamas Siegelring, nicht wahr?«
David nickte.
»Aber wie ist er in diese Kugel gekommen?«
Ein grimmiges Lächeln umspielte Davids Lippen. »Glauben Sie mir, das wollen Sie nicht wirklich wissen.«
»Wenn dieser Ring aus Toyamas Besitz stammt, müssen wir ihn beschlagnahmen.«
»Das kommt gar nicht infrage.«
»Aber…!«
»Wollen wir den Tenno darüber entscheiden lassen? Er hat diesen Einsatz befohlen. Ich möchte ohnehin so schnell wie möglich nach Tokyo zurück, dann kann ich ihn ja fragen.«
Yamagishi wurde blass. »Nein, nein, schon gut. Ihr Flugzeug dürfte allerdings schon weg sein.«
»Erlauben Sie mir, Ihr Telefon zu benutzen und mich zu vergewissern?«
Natürlich durfte David. Yamagishi sorgte sogar dafür, dass er den zuständigen Offizier an die Strippe bekam. Eine müde Stimme meldete sich am anderen Ende der Leitung. Der Name des Tennos schien selbst tote Japaner aufzuerwecken. Zu Davids Enttäuschung war Kinsaku Nakamura tatsächlich wenige Minuten nach Mitternacht in Richtung Tokyo gestartet. Wegen der Treibstoffknappheit werde es auch in den nächsten beiden Tagen keine Flüge in die Hauptstadt geben.
»Sie müssen doch völlig erschöpft sein«, sagte Yamagishi, als David den Telefonhörer aufgelegt hatte. »Schlafen Sie sich doch auf dem futon dahinten erst einmal richtig aus. Wir stürmen inzwischen Toyamas Schlupfwinkel. Ich komme später zurück. Dann können wir gemeinsam frühstücken.«
David dachte über das verlockende Angebot nach. Er war tatsächlich völlig ausgelaugt. Ein wenig Schlaf würde ihm gut tun. Aber dann musste er wieder an Hirohito und seinen Kriegsrat denken. Er blickte auf seine Armbanduhr. Es war fünfzehn Minuten nach Mitternacht. In weniger als vierundzwanzig Stunden lief die Frist ab, die General MacArthur ihm zugestanden hatte.
»Nein«, sagte David kopfschüttelnd, »ich muss so schnell wie möglich nach Tokyo zurück.«
»Und wie stellen Sie sich das vor? Sie haben doch gehört, es gibt keine Flugzeuge.«
»Was ist mit der Bahn?«
»Bis Osaka ist die Trasse praktisch nicht befahrbar. Feindliche Bomber haben mehrere Brücken zerstört.«
»Mit einem Auto könnte ich Tokyo in zwanzig Stunden erreichen. Wenn ich in Osaka einen Zug bekäme, sogar in erheblich kürzerer Zeit.«
»Es gibt auch keine Autos.«
David sah den Geheimdienstler durchdringend an. »Und was war das für ein Ding, mit dem Sie mich vom Flughafen abgeholt haben, Yamagishi-san?«
»Der Wagen ist kriegswichtiges Gut. Er darf nur im Interesse des Reiches eingesetzt werden.«
Davids Antwort fiel bedrohlich ruhig aus. »Was glauben Sie eigentlich, wofür ich ihn brauche? Etwa um eine Fuhre Geishas zu einem Picknick ins Grüne zu entführen?«
Auf dem starren Gesicht Yamagishis erschienen Schweißperlen. »Ich kann Ihnen den Wagen nicht geben.«
»Das wird den Tenno sehr enttäuschen, Yamagishi-san. Verfügen Sie eigentlich über ein scharfes wakizashi?«
»Wir brauchen alle Fahrzeuge für die Säuberungsaktion auf Toyamas Grundstück.«
»Wie lange werden Sie für die Razzia benötigen?«
Junzo Yamagishi zog eine Taschenuhr aus seiner Weste und ließ den Deckel hochklappen. »Wir beginnen in etwa fünfzehn Minuten. Wenn wir alles so vorfinden, wie Sie es uns geschildert haben, sollten die Bewohner des Hauses in wenigen Minuten kampfunfähig sein. Danach werden sie mit den Automobilen in unser hiesiges Hauptquartier gebracht. Das alles dürfte nicht länger als drei
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