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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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trat er auf den Teich hinaus.
    Die Wasseroberfläche des Nektarbeckens gab etwas nach. Man durfte eben nicht stehen bleiben. Während Balu mit Holzbein und Krücke wie benommen über das Wasser humpelte, blickte David unruhig immer wieder zurück. Anfangs sah er nur die fassungslosen Gesichter von Meister Zangh Singh und seinem Leibdiener, bald aber tauchten die ersten bewaffneten Fremden auf. Die Sikhs blieben wie benommen stehen. Manche ließen vor Schreck sogar die Waffen fallen.
    »Wie kann das sein?«, jammerte Balu. Der Greis war einem Nervenzusammenbruch nahe.
    »Das sage ich dir, wenn du mir erklärst, was eine Kushtha-Insel ist – also später. Und jetzt komm! Lange halte ich das nicht mehr durch.«
    »Was denn?«
    In diesem Moment knallte ein Schuss. Einer der Sikhs musste seine Überraschung überwunden haben. Aber David hatte den Angriff vorhergesehen und auch, dass die Kugel sie verfehlen würde. Mit einem Zischen pfiff sie zwischen den beiden Wassertretern hindurch.
    »Kopf runter!«, rief David und zog Balu an der Hand zur Seite. Unmittelbar darauf fiel ein zweiter Schuss. Diesmal hätte das Projektil sein Ziel nicht verfehlt.
    Endlich erreichten Sie das weiße Geländer am gegenüberliegenden Ende des heiligen Beckens. David half Balu hinüber, der ihn seltsam musterte.
    »Was ist?«
    »Dein Gesicht hat giftgrüne Flecken, Sahib!«
    »Solange es keine blutroten sind – pass auf!«
    Balu duckte sich und ein dritter Schuss hallte durch das Tempelareal. Und ging knapp daneben.
    Nun fiel die ehrfürchtige Starre von den Verfolgern ab. Wie auf Befehl brandete eine ganze Salve vom Goldenen Tempel her auf.
    Auch diese hatte David vorausgesehen. Kraft der Verzögerung konnte er die heransausenden Geschosse »lähmen«, sie schienen gleichsam in der Luft zu stehen. Rückwärts gehend zog er Balu durch einen runden Torbogen in Sicherheit. Im nächsten Augenblick prasselten die Kugeln gegen das weiße Mauerwerk und hinterließen dort ein paar hässliche Krater.

 
    Die Insel der Aussätzigen
     
     
     
    »Mir ist mit einem Mal diese Eidechse eingefallen. Jedenfalls glaube ich, dass es eine Eidechse war. Wenn ich mich nicht irre, habe ich im National Geographic von ihr gelesen. Sie kann über das Wasser gehen, ohne einzusinken.«
    »Aber wir sind doch keine Eidechsen, Sahib. Oder etwa doch?« Balus Verwirrung wollte nicht so einfach von ihm abfallen. Sie waren im Gedränge der Stadt untergetaucht und saßen nun wieder in einer Rikscha. Erneut schrie und schimpfte sich ein kleiner strampelnder Inder durch den dichten Fahrrad- und Fußgängerverkehr.
    »Keine Sorge, mein Guter. Du erinnerst dich bestimmt noch, wie ich dich kurz nach unserer ersten Begegnung aufgefordert habe, mit deinem Revolver auf mich zu schießen.«
    »Und ob! Du hast die Kugeln mit einem Lappen einfach aus der Luft gepflückt.« Balus Augen begannen zu leuchten. »Ah! Jetzt fange ich an zu verstehen. Mit deiner Gabe hast du auch die Gewehrkugeln von uns fern gehalten.«
    David nickte. »Es ist immer dasselbe Prinzip. Auf dem Wasser habe ich nur das Einsinken so stark verlangsamt, dass wir sicher einen Fuß vor den anderen setzen konnten. Die Eidechse macht’s auch nicht viel anders, nur bewegt sie sich erheblich schneller als wir beiden alten Grauköpfe.«
    »Das beruhigt mich, Sahib.«
    »Wie bitte?«
    »Ich möchte in meinem nächsten Leben nur ungern eine wasserwandelnde Eidechse sein.«
    David sah seinen alten Freund nachdenklich an. Er wusste nie recht, wie ernst es Balu mit seinen Reinkarnationsgeschichten wirklich war. Schließlich wechselte er zu einer ihm wichtigeren Frage: »Diese Kushtha-Inseln – was hat es mit ihnen auf sich?«
    »Vielleicht erinnerst du dich noch: Kurz nachdem wir das Straßenkind Abhitha aus dem Dreck aufgelesen hatten, haben wir über den Aussatz gesprochen. Kushtha bedeutet ›zerfressen‹.«
    »Das hatte ich schon wieder vergessen. Und diese Insel, was ist damit?«
    »Vielleicht kannst du dich aber noch daran erinnern, welche große Furcht die Menschen vor Kushtha haben. Um sich nicht anzustecken, hat man die Aussätzigen einfach auf Inseln gebracht. Hier sollen sie auf ihren Tod warten. Normalerweise befinden sich diese Plätze draußen auf dem Meer. Doch ich habe von einer Leprakolonie nur wenige Meilen südwestlich von Amritsar gehört.«
    »Auf einer Insel im Sutlej.«
    »So ist es, Sahib.«
    Es war David nicht entgangen, mit welcher Abneigung der alte Mann über das Thema sprach. Lächelnd

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