Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
melden, als der Sikh mit einem Mal wieder leise zu sprechen begann. »Es gibt da eine Anzahl mir sehr ergebener Männer, die mich regelmäßig über die verschiedensten Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Mir ist dadurch vor einiger Zeit etwas zu Ohren gekommen, aus dem ich nicht recht schlau geworden bin. Als ich den Granthi danach fragte, hielt er sich auffällig bedeckt.«
    »Der Granthi?«
    »Wahrscheinlich würden Sie ihn einen Hohepriester nennen. Er ist der Bewahrer, der Hüter des Adi Granth.«
    David nickte. »Was haben Ihre verlässlichen Freunde Ihnen denn erzählt?«
    Meister Zangh Singh senkte ungeachtet der störenden Nebengeräusche vom Fenster her die Stimme. »Es gebe da einen Marwari, einen sehr wohlhabenden Händler, dem die Freiheit des Punjab sehr am Herzen liege und der wie kaum ein anderer unter der Teilung des Fünfstromlandes leide. Niemand konnte mir bisher seinen Namen nennen. Wenngleich angeblich ein Sikh, heißt es doch, er paktiere mal mit der hinduistischen RSSS, dann wieder mit den Moslems, vorzugsweise jedoch mit Letzteren.«
    »Lebt er hier in Amritsar?«
    »Eher in Lahore oder in einer anderen pakistanischen Stadt. Aber Genaueres habe ich nicht herausfinden können.«
    »Glauben Sie, Ihr Hohepriester, der Granthi, kennt diesen Unbekannten oder arbeitet gar mit ihm zusammen?«
    »Sie haben mich nach dem wirklichen Mörder Gandhis gefragt. Was soll ich Ihnen nun antworten, Mr Pratt? Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was der Granthi im Einzelnen für unsere Sache unternimmt. Und sollten Sie von ihm empfangen werden und ihn nach dem Marwari fragen können, würden Sie wohl kaum eine befriedigende Antwort erhalten.«
    Für David war das Gesagte niederschmetternd und anspornend zugleich. Wenn der kurze Weg nicht zum Ziel führt, dann vielleicht der lange. »Eigentlich bin ich noch aus einem anderen Grund nach Amritsar gekommen, ehrenwerter Singh. Ich suche einen Mann namens Raja Mehta. Offenbar hat er Nathuram Godse zu dem Mord an Gandhi angestiftet.«
    Meister Zangh Singhs Miene war wie versteinert. »Ich kenne keinen Sikh dieses Namens.«
    »Ich hörte, er leide an Lepra. Und von Gandhi persönlich habe ich erfahren, dass er Moslem sein soll.«
    »Umso schlimmer.«
    Der Meister wusste mehr, als er verraten wollte. David konnte es fühlen. Er deutete mit der Hand auf Balu und sagte respektvoll zu Singh: »Mein treuer Gefährte hier hat mir einiges von Guru Nanak erzählt. Die Religion des Sikh Dharma vereint das Edelste aus dem Hinduismus und der Lehre des Propheten Mohammed. Könnte es nicht sein, dass einige der Söhne des Propheten in Ihren Augen Gnade gefunden haben, Meister Singh? Immerhin tragen Sie einen blauen Turban.«
    Die mutige Bemerkung Davids traf wie ein Wahrheitspfeil mitten in Singhs Herz.
    Nach einigem Zögern erhob sich die Stimme des Meisters über den mittlerweile zum Tumult gewordenen Lärm von draußen. »Gestern nach Sonnenuntergang kam ein Aussätziger zu mir. Ich habe ihn hier zum ersten Mal gesehen und eigentlich wollte er auch zum Granthi vorgelassen werden. Ich weiß nicht, was ihn auf die Idee gebracht hat, das geistige Oberhaupt aller Sikhs würde ihn einfach so empfangen. Jedenfalls hat er mich gebeten, sich im Nektarbecken einer rituellen Reinigung unterziehen zu dürfen.«
    David horchte auf. Unvermittelt schien in der Luft eine Antwort zu schweben, für die er nur noch die richtige Frage finden musste. »Und was hat das zu bedeuten?«
    »Der Legende nach brachte Rajni, die Tochter des Steuereinnehmers Rai Dhuni Chand aus Patti, ihren aussätzigen Ehemann an diesen Ort. Damals speiste die Nektarquelle hier einen Teich. Nachdem Rajnis Mann sich in dem Teich gebadet hatte, fiel der Aussatz von ihm ab. Seit dieser Zeit spricht man der Nektarquelle eine heilende Wirkung zu. Das Löwengesicht scheint auf ein Wunder gehofft zu haben.«
    »Sagten Sie Löwengesicht?« Nur mit Mühe konnte David ein Zittern unterdrücken. Abhitha hatte den Besitzer des Hauses in Faridabad ganz ähnlich beschrieben.
    Zangh Singh nickte. »Nase und Mundwinkel waren seltsam verformt. Er sah wirklich aus wie ein Löwe.«
    »Einen Namen hat er Ihnen nicht verraten?«
    »Nein. Obwohl das seltsam, ja, sogar gegen alle Sitten ist. Aber als ich seinen Zustand erkannte, habe ich ihm das Bad nicht verweigern wollen.«
    »Hat der Fremde noch etwas gesagt?«
    »Nein. Allerdings habe ich in Hari Mandir schon viele Pilger gesehen und das Löwengesicht schien mir jemand zu sein, der an einer

Weitere Kostenlose Bücher