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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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rücklings am Boden Liegende und spannte die Muskeln an.
    »Sieh dich vor, Freundchen«, fauchte David drohend und erhöhte den Druck auf die Klinge. Das Löwengesicht wurde wieder schlaff wie eine Stoffpuppe. »Du solltest dir deine Gegner in Zukunft etwas gründlicher anschauen, bevor du dich über sie hermachst. Du bist Raja Mehta, nicht wahr?«
    »Was geht dich das an?« Das Löwengesicht versuchte sich hochzustemmen, allerdings nur halbherzig.
    »Ein weiser Mann hat mir gesagt, dich plage ein schweres Leiden.«
    »Soll das ein Scherz sein, Engländer? Wir sind hier auf einer Kushtha-Insel. Sieh mich an, dann weißt du, wie es um mich steht.«
    »Dein Schmerz sitzt viel tiefer«, widersprach David. »Es ist dein Gewissen, das dich quält.«
    David spürte, wie der Druck seines Gegners merklich nachließ. »Unsinn!«
    »Wenn ich den Befehl zur Ermordung des Mahatma übermittelt hätte, würde es mir ähnlich ergehen.«
    Nun brach der Widerstand Mehtas endgültig zusammen. Seine Muskeln erschlafften. Der Hass schien aus den Furchen seines verquollenen Gesichts abzufließen. Zurück blieben Verzweiflung und ein Ausdruck unsäglicher Qual. »Das habe ich nicht gewollt«, jammerte er.
    David spürte Zorn in sich aufsteigen »Ach, und was hat dir in etwa vorgeschwebt? Dass Bapu nur von einer statt drei Kugeln durchlöchert wird? Du musst doch gewusst haben, was deine Botschaft bewirken wird.«
    »Es sollte nur ein Denkzettel sein.«
    »Eine sehr schwache Rechtfertigung, Raja. Ziemlich unglaubhaft. Du warst der Bote des Todes für den Mahatma. Finde dich damit ab.«
    »Aber das kann ich nicht!«, brach es aus Mehta hervor. »Ich bereue, was ich getan habe, und wünschte, ich könnte mich von dieser Schuld reinwaschen.«
    David glitt von Mehtas Brust und richtete sich in der zerstörten Hütte auf. Der Besiegte blieb am Boden liegen. Eine Weile lang blickte David grimmig über den Rand der nun dachlosen Hütte. Draußen hatten sich, angelockt durch den Kampfeslärm, einige Verkrüppelte versammelt. Nach einem tiefen Seufzer beugte er sich schließlich zu Metha hinab und tat etwas, das ihn einige Überwindung kostete. Auch jetzt nicht wegen der entstellenden Krankheit, sondern weil er wusste, was dieser Mensch angerichtet hatte. Er reichte dem Löwengesicht die Hand und sagte: »Komm. Lass uns gleichauf, von Auge zu Auge miteinander reden.«
    Bald saßen sich die beiden Männer auf der Strohmatte gegenüber und führten ein langes, ungewöhnlich vertrauliches Gespräch.
    Raja Mehta erzählte von seiner Jugend in Nepal, wie er später als Gurkhakämpfer in einer britischen Eliteeinheit gedient und sich zuletzt immer mehr mit der Religion der Sikhs angefreundet hatte. Etwa zu dieser Zeit lernte er einen mächtigen Marwari kennen, einen Kaufmann, der ihn bald mit verschiedenen Aufträgen kreuz und quer durch Indien und Pakistan schickte. Anfangs waren die Aufgaben rein geschäftlicher Natur gewesen. Aber dann stellte der Marwari ihm den Granthi vor. Es war eine unfassbare Ehre, mit dem heiligen Mann zu reden. Der Granthi, erinnerte sich Mehta, habe in ihm dann auch den Patriotismus entzündet, eine Flamme, die schließlich immer höher und heißer loderte. Und während er lernte, Züge in die Luft zu sprengen und Heckenschützen zu dirigieren, stieg er allmählich im Ansehen des Marwaris. Am Ende bekam er den Auftrag, die Ermordung Gandhis in die Wege zu leiten.
    Als Mehta den Befehl entgegennahm, war er zunächst wie betäubt. Er hielt es für im höchsten Maß verwerflich, den »kleinen Vater« auch nur zu beleidigen, geschweige denn ihm körperlichen Schaden zuzufügen. Zu dieser Zeit, gestand der Gurkha, litt er bereits an einem merkwürdigen Taubheitsgefühl in Fingern und Füßen. Bald kamen dann die Hautflecken hinzu, helle gefühllose Stellen. Er ahnte, was diese Veränderungen bedeuteten, aber Scham, wohl auch die Angst, von seinen Freunden ausgegrenzt zu werden, hielten ihn davon ab, mit anderen über seine Erkrankung zu sprechen. Zuletzt begann sich sein Gesicht zu verändern.
    Nun stieg ein unbeschreiblicher Hass in ihm auf. Mehta spreizte hilflos die Finger. Er könne nicht einmal erklären, gegen wen oder was sich dieser Groll gerichtet habe. Warum ausgerechnet ich!, schoss es ihm nur immer wieder durch den Kopf. Er wollte irgendjemandem die Schuld für sein Schicksal geben, egal wem. Gerade zu diesem Zeitpunkt wiederholte der Marwari seinen Befehl Vollkommen abgestumpft habe er sich an die Durchführung des

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