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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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»Verkleidung« einigermaßen koreanisch aus. Kaeddong trug wie immer seine um die Dienstgradabzeichen erleichterte amerikanische Armeeuniform.
    Als stünde der Monsun auf der Seite der Nordkoreaner, hatte er sein Wolkenheer unvermittelt abgezogen. Der Himmel war erschreckend klar. Man konnte mindestens einen Kilometer weit sehen.
    Gerade wollte sich David ein erstes Aufatmen gönnen, als plötzlich ein koreanischer Befehl durch die Finsternis peitschte, den selbst er verstand.
    »Halt!«
    Im Nu waren die beiden von sechs oder sieben Bewaffneten umringt. Die Soldaten trugen die Uniform der Demokratischen Volksrepublik Korea. Ein blutjunger, eher schwächlich wirkender Offizier baute sich vor den Gefangenen auf und blaffte Kaeddong an. David verstand nur einen Teil, aber ihm wurde schlagartig klar, in welcher Gefahr sie sich befanden. Jede Verletzung der nächtlichen Ausgangssperre wurde gemeinhin streng geahndet.
    Wegen des auffallend unkoreanischen Aussehens von Kaeddongs Begleiter machte sich der Offizier nicht die Mühe, diesen nach dem Grund der Nachtwanderung zu fragen. Mit vorgehaltenen Gewehren wurden die Gefangenen abgeführt.
    Die Soldaten wirkten wie streitsüchtige Bauernjungen. Zwar besaßen sie keine Stahlhelme, dafür aber Kalaschnikows, und die flößten ihnen Mut ein. Mit den automatischen Waffen hatten sie von ihren Landsleuten im Süden nichts zu befürchten. Der weißhaarige Ausländer war ihnen allerdings nicht ganz geheuer, was leicht zu Kurzschlussreaktionen führen konnte. David beschloss, zunächst abzuwarten.
    Sie wurden zu einem nahen, annähernd runden Platz von vielleicht fünfzig Metern Durchmesser geführt, wo bereits mehrere andere Männer am Boden saßen. Ringsherum brannten größere Feuer. David konnte unter den Gefangenen niemanden entdecken, der älter als er selbst war. Die meisten der Unglücklichen mochten nicht einmal dreißig sein, auf jeden Fall alles wehrtüchtige Männer und für die Eroberer damit eine potenzielle Gefahr.
    David ließ sich an Kaeddongs Seite am Rande der Gruppe auf den Boden sinken. »Was haben sie mit uns vor?« Er flüsterte, weil in der Nähe ein Posten mit lebhaft funkelnden Augen stand.
    Der Schwarzhändler deutete unauffällig mit dem Kopf zu einem nicht weit entfernt stehenden Haus. Davor stand ein Holztisch, an dem ein nordkoreanischer Militär saß. Ein Gefangener wurde gerade von zwei Bewaffneten abgeführt und ein anderer vor den Offizier geschleppt. »Sie stellen Fragen«, konstatierte Kaeddong knapp.
    »Und was passiert, wenn sie nicht die richtigen Antworten bekommen?«
    Plötzlich fielen zwei Gewehrschüsse. Eine kurze Pause. Dann der Knall einer Pistole. Die Schüsse waren aus der Richtung gekommen, in die man den eben Verhörten weggeschafft hatte.
    Kaeddong ersparte sich eine Erklärung.
    Minutenlang brüteten beide vor sich hin. Währenddessen wiederholte sich das grausame Schauspiel am Rande des Platzes noch einige Male: ein kurzes Verhör, dann eine Salve. Manchmal blieb der Gefangene auch am Leben, aber David hatte nicht die geringste Ahnung, welchem Zauberwort dies zu verdanken war. Gerade überlegte er, ob und wie er seine besonderen Gaben einsetzen konnte, um der makabren Inszenierung ein Ende zu bereiten, als eine unfreundliche Stimme den Schwarzhändler herbeizitierte.
    Kaeddong wechselte einen kurzen Blick mit David. Nun war sein Mut doch ins Wanken geraten.
    »Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert«, raunte David.
    »Nur du bist wichtig und deine Aufgabe«, zischte Kaeddong zurück, ein wenig zu laut. Mit dem Gewehrkolben erhielt er einen Hieb auf den Rücken. Der Gefangene schrie zwar auf, wunderte sich aber doch über die Schwäche des Schlages – David hatte der Waffe den Schwung genommen.
    Mit Argusaugen beobachtete David das weitere Geschehen. Wie alle anderen zuvor schon wurde Kaeddong dem Verhöroffizier vorgeführt. Obwohl selbst kaum älter als dreißig, passte der schlanke Mann nicht recht zu diesem Haufen Halbwüchsiger. Er war groß, hielt sich gerade und achtete sehr auf Distanz.
    Das Verhör begann. Jenseits des Tisches wurden Fragen gebellt und diesseits Antworten gesucht. Bei aller Raffiniertheit gelang es dem Schwarzhändler offenbar nicht, seine Harmlosigkeit glaubhaft zu machen. Der Offizier deutete nach links, in Richtung der Erschießungsstätte. Eine winzige Bewegung, knapp aus dem Handgelenk heraus, entschied über Leben und Tod.
    »Nein!«, schrie David und sprang hoch.
    Sofort war ein Soldat zur

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