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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Dienstag hieß es für David wieder einmal Abschied nehmen. Im Rundfunk der amerikanischen Streitkräfte wurden alle US-Bürger dringend aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Die Army hatte Busse organisiert, die alle infrage kommenden Personen auflesen und zum Flughafen Kimpo bringen sollten. Als das grüne Armeefahrzeug vor dem Haus 143 Key Dong hielt, war der UN-Berater Phil Claymore nicht zu Hause. Er würde auch nie mehr in diese Straße zurückkehren.
    Nur knapp eine Stunde vor Eintreffen des Evakuierungsbusses hatten Soo-wan und David sich Lebewohl gesagt. Die Stimmung war gedrückt. Niemand wusste, ob er den anderen je wieder sehen würde. Professor Choi besaß nicht einmal einen britischen Pass – sein Einbürgerungsverfahren in Großbritannien war noch nicht abgeschlossen. Deshalb wollte er nicht das Risiko eingehen, in Kimpo hängen zu bleiben. Die letzten Plätze in den Flugzeugen waren nämlich Ausländern, vornehmlich amerikanischen Staatsbürgern vorbehalten. Mit Mühe hatte er noch einen Sitzplatz im Zug nach Pusan ergattern können.
    »Ich melde mich bei dir in London, sobald die Operation abgeschlossen ist und ich ein Telegrafenamt finde.«
    Hinter Soo-wans Brille glitzerte eine Träne. »Ich werde es dir nie verzeihen, solltest du es nicht tun, jüngerer Freund.«
    »Bitte informiere auch, wenn es irgend geht, Ruben Rubinstein über die Situation hier – natürlich in dem vereinbarten Code.«
    »Keine Angst, ich werde unsere Sache nicht verraten.«
    Die beiden ungleichen Männer umarmten sich. Anschließend drückte Kaeddong den älteren Freund.
    In Seouls Straßen war das Chaos ausgebrochen. Auf dem Weg zur Chae-Dong-Grundschule mussten David und Kaeddong sich an fliehenden Menschen vorbeidrücken und immer wieder südkoreanischen Soldaten ausweichen, die noch nach »Freiwilligen« suchten.
    In der Ferne grummelte Geschützdonner. Am Himmel türmten sich dunkle Wolken, aber wenigstens regnete es nicht. Immer wieder – und schon bedrohlich nah – hörte man auch Pistolenschüsse knallen. Kaeddong hatte ausdrücklich davor gewarnt, sich während der Kampfhandlungen auf der Straße blicken zu lassen. Die Kommunisten würden die Ausländer auf Todesmärsche schicken oder in Lager einsperren. Anscheinend hielt er nicht sehr viel von seinen Brüdern im Norden.
    Der Einmarsch des Feindes kam dann so überraschend, dass sie zweifelten, ihr Versteck überhaupt noch zu erreichen. Jagdbomber kreisten über der Stadt, sowjetische Lawotschkins vom Typ La-11. Diese Beobachtung ließ David stutzen. Es war nicht unbedingt üblich, einem kleineren Waffenbruder modernstes Kriegsgerät an die Hand zu geben – man wusste ja nie, ob man den Verbündeten nicht schon bald zum Feind hatte.
    Die Piloten der Jäger besaßen eine Vorliebe für schnurgerade Straßenzüge, die sie bequem im Tiefflug mit ihren schweren Maschinengewehren bestreichen konnten. Gerade war der Fluchtweg, den Kaeddong nehmen wollte, von einem der wendigen Kampfflugzeuge beschossen worden. Das Sägen des Motors im Verein mit dem Rattern der beiden 20-mm-Kanonen konnte einen an den Rand des Wahnsinns treiben. Die Menschen hatten sich auf den Boden geworfen. Rikschas und einzelne Automobile waren durchsiebt worden. Die Straße hatte sich rot gefärbt.
    David konnte sehen, wie das Flugzeug direkt über seinem Versteck eine enge Schleife zog. Die Maschine flog so tief über den flachen Häusern, dass er für einen kurzen Augenblick den Piloten in der länglichen Kanzel erkennen konnte: Der Mann am Steuerknüppel war kein Koreaner.
    »Da sitzen sowjetische Piloten in den Maschinen«, flüsterte er fassungslos.
    »Wundert mich nicht«, entgegnete Kaeddong ungerührt, während er die nähere Umgebung im Auge behielt. Sie kauerten in einem Hauseingang und blickten die Straße hinab. Der Koreaner hatte im letzten Krieg aufseiten der Alliierten gekämpft und war erstaunlich gefasst.
    »Bist du dir eigentlich im Klaren, wohin das hier alles führen kann? Sowjets bombardieren eine Stadt, in der sich möglicherweise immer noch einige amerikanische Militärs aufhalten.«
    »Wenn sich die Großen reiben, bleibt von den Kleinen nur noch Staub übrig.«
    David starrte den wachsam umherblickenden Schwarzhändler entgeistert an. Was er mit asiatischer Gelassenheit umschrieben hatte, konnte den dritten Weltkrieg bedeuten, vielleicht sogar den Einsatz von Atomwaffen. Er hatte sich geschworen, nie mehr direkt in das Machtgerangel der Großen einzugreifen, aber in

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