Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer
als Drohung – werden Sie und Ihre Kinder es bereuen, wenn Sie über uns das Todesurteil verhängen.«
Eine unheimliche Stille hatte sich über den Platz gelegt. Der Offizier war verstummt. Nur das Knistern der Lagerfeuer konnte man noch hören.
Endlich regte sich Oberleutnant Park Pomshik wieder. Auf seinem Gesicht machte sich tiefe Bestürzung breit.
Sie schien ihm aus den Poren zu quellen wie kalter Schweiß. Seine Augen wirkten mit einem Mal wie die eines gehetzten Tieres, Mühsam reckte er den Hals im engen Kragen und zischte den nahe stehenden Posten einen Befehl zu.
»Geleitet den Amerikaner und seinen Dolmetscher aus dem Ort.«
David fing einen besorgten Blick Kaeddongs auf. War das ein Todesurteil?
Die bis vor kurzem noch versteinerte Miene Parks zeigte Risse. Endlich sprach er die befreienden Worte. »Ihr haftet mit eurem Leben dafür, dass dem Vertreter des Time-Magazins kein Haar gekrümmt wird. Wenn es nötig ist, begleitet ihr ihn noch etwas länger. Bis zum Mittag erwarte ich euch zurück.«
David und Kaeddong atmeten auf, Oberleutnant Park Pomshik erhob sich von seinem Tisch, wünschte den Freigelassenen eine gute Heimkehr und zog sich verstört zurück. An diesem Morgen würde es keine weiteren Erschießungen mehr geben.
Es war schon eine absurde Situation: Da wurden ein New Yorker Reporter und ein Südkoreaner in einer auf zivil getrimmten amerikanischen Uniform von vier nordkoreanischen Soldaten durch ein Kampfgebiet eskortiert – Henry Luce würde diese Geschichte in den Papierkorb feuern. Aber das war Davids geringste Sorge.
Ungefähr eine Stunde lang marschierte Kaeddong neben seinem weißhaarigen Freund schweigend dahin – für jeden von Davids langen Schritten musste er mindestens zwei machen – und schielte dabei immer wieder in dessen ausdrucksloses Gesicht.
Endlich platzte es aus ihm heraus. »Wie hast du das nur gemacht?« Er zischte die Frage auf Englisch, in der nicht unbegründeten Hoffnung, die Eskorte werde ihn dann nicht verstehen.
»Was?«
»Jetzt tu nicht so scheinheilig! Wie du den Offizier beschwatzt hast, will ich wissen. Eben noch hat er ein halbes Dutzend junger Männer erschießen lassen und mit einem Mal bringst du ihn mit zwei, drei simplen Sätzen völlig aus der Fassung. Du hättest ihn doch genauso gut auch anlügen können. Bist du so etwas wie ein Hypnotiseur?«
David schmunzelte. »Bestimmt nicht, jüngerer Freund. Ein solcher Mensch zwingt anderen seinen Willen auf, aber ich habe nur die Wahrheit gesagt und der Oberleutnant hat mir geglaubt.«
»Das ist alles?«
»Das ist alles.«
»Und warum war er am Schluss so durcheinander?«
»Ich vermute, es lag an meiner Bemerkung über den Wert von Menschenleben. Vielleicht habe ich ihm den Spiegel der Wahrheit vorgehalten und er hat sich darin als abscheuliche Bestie erkannt.«
Die nächste halbe Stunde dachte Kaeddong über Davids Worte nach, dann schloss er für sich das Thema ab. » Für mich bist du ein Wunder, älterer Freund.«
David musste lächeln. »Zeige mir einen Menschen, von dem sich das nicht sagen lässt.«
Ungefähr eine Stunde vor Inch’on verabschiedeten sich die Freunde von ihren Begleitern. Die einen wollten ihren gestrengen Befehlshaber nicht enttäuschen und die anderen sich nicht in die Karten blicken lassen. Jetzt nämlich sollte Davids Plan in die Tat umgesetzt werden.
Bevor sie nach dem geschäftstüchtigen Fischer suchten, wollte er An Ung-doo einen Besuch abstatten. Vor allem ging es ihm darum, ein neueres Foto oder wenigstens eine genaue Beschreibung von Chung-gun zu bekommen. Der Lieblingssohn würde das eine oder andere ohne Frage liefern können.
Beim Erreichen der Hüttensiedlung zerplatzten Davids Hoffnungen wie Seifenblasen. Die DVK-Truppen waren über das ärmliche Dorf wie ein Sturm hinweggezogen. Die Soldaten hatten etliche Häuser niedergebrannt, zahllose Menschen erschossen und jagten nun längst der fliehenden südkoreanischen Armee hinterher.
Schon von weitem erkannte David, dass Ung-doos hübsches kleines Häuschen nur noch ein rauchender Trümmerhaufen war. Bei den umliegenden Hütten sah es ähnlich aus. Dennoch bestand er auf einer Durchsuchung der Holzruine. Was er dabei fand, war schlimmer als befürchtet. Die Familie An lebte nicht mehr. Eine Granate hatte nicht nur das Haus, sondern Vater, Mutter und drei Kinder zerfetzt. Auch das kleine Mädchen in dem adretten Kleidchen gehörte zu den Opfern.
David war erschüttert. Ung-doo mochte kein
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