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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gelernt. Selbst ihre Gegner jenseits des achtunddreißigsten Breitengrads scheinen sie nicht wirklich zu hassen. Hier wie da ist man von der Notwendigkeit einer Wiedervereinigung des Landes fest überzeugt, nur in der Wahl der Mittel sind sich die Koreaner uneins.«
    »Wenn nicht der ganze amerikanische Geheimdienst falsche Berichte verbreitet, dann wird der Bürgerkrieg aber mit unerbittlicher Härte geführt. Wollen Sie behaupten, die Koreaner tun das aus Liebe?«
    »Natürlich nicht. Aber ich würde nicht die Empfindungen der Bevölkerung mit jenen der Politiker und – nichts für ungut, Dough – der Militärs gleichsetzen. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sowjetische Piloten in ihren La-11-Jägern auf Zivilisten in Seoul schossen. Wenn Sie mich fragen, führen die beiden großen Machtblöcke auf dem Rücken Koreas einen Stellvertreterkrieg. Und das finde ich wirklich verachtenswert.«
    »Es würde mich zwar nicht wundern, aber bewiesen ist es nicht, dass dieser Krieg auf Betreiben Russlands vom Zaun gebrochen wurde.«
    »Zumindest wird ihn Stalin begrüßen. Nach der gescheiterten Blockade in Berlin kann er nun vielleicht hier seinen Machtbereich ausdehnen.«
    MacArthur spuckte einen Tabakkrümel aus. »Das werden wir zu verhindern wissen.«
    In Davids Ohren klangen diese Worte nur allzu vertraut. Irgendwie fühlte er sich überrumpelt, denn ohne es zu wollen, steckte er wieder einmal mitten im Gerangel der Mächtigen. Wie große Puppenspieler steckten die verfeindeten Machtblöcke hinter den kleinen Kriegsparteien, die sich im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit die Köpfe einschlugen. Aber niemand schien zu bemerken, dass auch die Drahtzieher nur Marionetten in einem noch viel größeren Spiel waren.
    David seufzte. »Ich hätte nur eine Bitte, Dough.«
    »Ja?«
    »Fangen Sie keinen neuen Weltkrieg an.«
     
     
    Die Gegenoffensive der Vereinten Nationen, in der Hauptsache getragen von den USA, schien ein voller Erfolg zu werden. Innerhalb weniger Tage wurden die nordkoreanischen Verteidigungslinien um Seoul »geknackt«, wie MacArthur seinem neuen und alten Berater David freudig verkündete. Vom Ufer des Krieges zogen sich die Wogen des gegnerischen Heeres zurück.
    Für David kamen nun Tage, in denen ihm nicht viel Muße zum Nachdenken blieb. Er sollte MacArthur zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung stehen. Dabei schien es den General wenig zu stören, dass andere Männer aus seinem Stab über einen erheblich größeren Erfahrungsschatz verfügten. Nicht selten hatte David den Eindruck – und Derartiges erlebte er schließlich nicht zum ersten Mal –, der Oberbefehlshaber halte ihn für eine Art Maskottchen.
    Gleich zu Beginn ihrer neuen Kooperation hatte David ausdrücklich an die alten Spielregeln erinnert: Sobald er es wünsche, müsse der General ihn gehen lassen. Selbst dieser Bedingung hatte MacArthur vorbehaltlos zugestimmt.
    David verfasste einige Berichte für das Time-Magazin und andere für den amerikanischen Militärgeheimdienst.
    Nachdem am 29. September die Hauptstadt in einer Siegesparade an den südkoreanischen Ministerpräsidenten Rhee Syngman zurückgegeben worden war, reiste er noch einmal nach Inch’on. Anlass des Treffens in der Hütte des Ehepaars Pak war ein kleines Abschiedsfest für sein eigenes »Operationsteam«, bestehend aus Kaeddong, Il und Phillihi.
    Während der einstige Schwarzhändler David mit der Absicht überraschte, seine »Lotusblume in Sunch’on« – eine vor dreißig Jahren unerfüllt gebliebene Liebe ganz im Süden der koreanischen Halbinsel – aufsuchen zu wollen, konnte ihm Ok Il-Sung längst Erahntes nur noch bestätigen, »Ich möchte Phil Li-hi ein Vater werden, auf den sie stolz sein kann. In Cheju werden wir beide einen neuen Anfang wagen.«
    David verspürte längst keine Eifersucht mehr darüber, dass Phillihi dem Fischer größere Zuneigung entgegenbrachte als ihm. Er, David, musste sich wieder einmal mit dem Rang eines Patenonkels zufrieden geben, während Il zum Adoptivvater befördert worden war. Wenigstens brauchte er nicht länger um Phillihis Leben zu fürchten. Für den Kreis der Dämmerung war sie viel zu unbedeutend.
    Obwohl Il sich weigerte, überhaupt einen Cent anzunehmen, bezahlte David ihm das Doppelte des vereinbarten Fahrpreises und versprach, Phillihis Werdegang auch von New York aus weiterzuverfolgen und, wenn nötig, ihre Ausbildung zu unterstützen.
    Jetzt war David zwar pleite – er hatte nicht einmal das Geld für

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