Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer
ein Ticket in die Heimat –, aber das störte ihn wenig. Hauptsache, Phillihi war in guten Händen und dessen konnte er sich bei Ok Il-Sung völlig sicher sein. Der Fischer hatte ihr die alte Steinfigur aus Jade geschenkt, das Erinnerungsstück an seine ermordete Tochter Il liebte Kinder, er konnte mit ihnen umgehen und hinfort würde Phillihi für ihn die Jadeprinzessin sein.
Was in seiner Größe von MacArthur nur vage umschrieben worden war, kristallisierte sich bald als gewaltige Streitmacht von zweihunderttausend Soldaten heraus. Dabei hatte alles nach einem baldigen Ende der Kampfhandlungen ausgesehen. Die Truppen des Generals hielten am achtunddreißigsten Breitengrad inne, alles schien wieder im Gleichgewicht. Aber dann befahl der amerikanische Oberkommandierende – aus »militärstrategischen Gründen«, wie er betonte – den Vorstoß auf nordkoreanisches Territorium. Innerhalb weniger Wochen waren die aus fünfzehn verschiedenen Staaten rekrutierten UN-Truppen durch das Land geprescht und David als Berichterstatter mit ihnen. In einem Abschnitt wurde sogar die chinesische Grenze erreicht. Und schon entdeckten die Elitekämpfer aus dem Reich der Mitte ihre Bruderliebe für die Koreaner.
Über eine gewisse Zeit hinweg lieferten sich beide Kriegsparteien erbitterte Gefechte, bis am 24. November die Verteidigungslinie auf breiter Front zusammenbrach. Nun waren die UN-Streitkräfte der Hase und wieder einmal die Kommunisten der Fuchs.
Eigentlich war Davids Rückflug nach New York bereits für den 7. November gebucht gewesen, aber der Krieg hatte ihn einmal mehr zurückgehalten. Die Verzögerung zehrte an seinen Nerven. MacArthurs Laune hatte sich in einem Maß verschlechtert, dass David Angst bekam. Immer häufiger gab sich der General zugeknöpft. Panikstimmung breitete sich aus. David glaubte, das Unvorstellbare ansprechen zu müssen, als er sich in MacArthurs Hauptquartier unter vier Augen mit dem Oberbefehlshaber beriet.
»Sie planen, die Atombombe einzusetzen, habe ich Recht, Dough?«
Der General wirkte überrascht. »Wie…?«
»Sie haben mich ein Mal getäuscht, General, das wird Ihnen nie wieder gelingen.«
»David«, sagte MacArthur ärgerlich, »was bilden Sie sich eigentlich ein? Ich schätze Ihren Scharfsinn, Ihre Ausgeglichenheit und Ihre profunden Kenntnisse der asiatischen Sitten und Gebräuche – aber in meine Strategie lasse ich mir von niemandem hineinreden, auch von Ihnen nicht.«
Im Nu war ein lebhafter Streit entbrannt. David zischte: »Menschen, Städte, ja, ganze Landstriche einzuschmelzen – nennen Sie das etwa Strategie?« Und MacArthur knurrte: »Es wird den Gegner abschrecken. Wir brauchen freien Rücken, wenn wir die chinesischen Nachschubbasen in der Mandschurei ausschalten wollen.« David: »In China einmarschieren? Sind Sie verrückt geworden?« MacArthur: »Das muss ich mir von Ihnen nun wirklich nicht gefallen lassen, David.« Ebenjener: »Ha! Das also ist Ihr Wort wert.«
Der General stutzte. »Wovon reden Sie überhaupt?«
»Sie haben mir versprochen, keinen dritten Weltkrieg anzufangen.«
»Nichts habe ich Ihnen versprochen.«
»Doch.«
»Nein.«
Endlich erlangte David seine Fassung zurück. Er holte tief Luft und sagte nun deutlich ruhiger: »Ich kann Ihre taktischen Überlegungen ja nachvollziehen, Dough – wenigstens bis zu einem gewissen Punkt. Aber was Sie da vorhaben, ist trotzdem Wahnsinn. Ihnen verdanke ich das zweifelhafte Vergnügen, einen Atombombenabwurf hautnah miterlebt zu haben. Schon allein deshalb müssen Sie sich anhören, was ich Ihnen vorzuschlagen habe.«
Obwohl es im Raum nicht sonderlich warm war, öffnete MacArthur den obersten Knopf seines khakifarbenen Hemdes. »Also reden Sie schon, David. Was geht Ihnen durch den Kopf?«
Der strich sich über den weißen Schnurrbart. Dann begann er seine »Wahrheitstropfen« in MacArthurs Ohr zu träufeln. Zuerst lieferte David eine ungeschminkte Schilderung des Hiroshimaabwurfes, sprach dann über die Leiden der Opfer und widmete sich schließlich den militärischen und politischen Folgen eines erneuten Einsatzes von Nuklearwaffen. Einem strategischen Vorteil dürfe nicht die Zukunft der Menschheit geopfert werden. Ganz abgesehen davon würden die Vereinigten Staaten für den Einsatz von Kernwaffen in den Augen der Völkergemeinschaft auf Jahrzehnte hinaus geächtet werden.
Es dauerte lange, aber allmählich zeigten die Worte des Wahrheitsfinders Wirkung. MacArthur begann an der
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