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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Richtigkeit seiner radikalen Pläne zu zweifeln. Allerdings war er noch zu tief in ihnen verstrickt, um sich ihrer mit einem einzigen Befreiungsschlag zu entledigen.
    Als David das klar wurde, bot er dem Oberbefehlshaber einen Kompromiss an. »Wie ich Sie kenne, Dough, werden Sie eine Delegation nach Washington schicken, die Präsident Truman und den Vereinigten Stabschefs Ihre Vorschläge unterbreiten soll. Lassen Sie mich mit in die Staaten fliegen. Verschaffen Sie mir eine Unterredung mit dem Präsidenten und ich werde mich für eine Lösung des Konflikts einsetzen, die den Fortbestand der Menschheit sichert und Amerikas Ansehen in der Welt bewahrt.«
    MacArthur brütete in einem schweren Sessel vor sich hin. Zwischen seinen Fingern knisterte eine erloschene Zigarre. Mal schaute er David finster an, dann wieder blickte er zu Boden. Unvermittelt begann der General zu sprechen, langsam und mit tiefer Stimme.
    »Also gut, David Pratt. Sie sollen Ihren Willen bekommen. Fliegen Sie in die Staaten und streiten Sie mit Truman um – wie hatten Sie es genannt? – den Fortbestand der Menschheit.«
    Präsident Harry S. Truman haftete nicht unbedingt das Charisma eines Roosevelt an. Und mit der Entscheidung zum Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki hatte er in Davids Augen erst recht nicht an staatsmännischer Statur gewonnen. An diesem Abend nun drängte sich David der Eindruck auf, er habe es bei Truman mit einem netten älteren Buchhalter zu tun, der zwar über vollendete Umgangsformen verfügte, gelegentlich aber auch in Jähzorn zu verfallen drohte. Den Präsidentensessel hatte Truman gewissermaßen durch die Hintertür erobert, sein Chef war vorzeitig gestorben. Später sollte er sich dann allerdings – zur Überraschung nicht weniger Amerikaner – bei einer ordnungsgemäßen Wahl durchsetzen.
    David war mit einer Militärmaschine am 30. November kurz vor sieben Uhr abends in Washington, D. C, gelandet. Dem Fahrer, der ihn vom Flugplatz abholte und mit einer schwarzen Limousine ins Weiße Haus fuhr, schienen die neuesten Radiomeldungen über einen drohenden Kernwaffeneinsatz in Korea keine Furcht einzujagen. »Dann kommen unsere Jungs bald nach Hause«, freute er sich sogar. David brummte etwas Unverständliches zur Erwiderung und machte sich seinen eigenen Reim auf das Gehörte. Hoffentlich denkt der Präsident nicht genauso. Und wenn, vielleicht kann ich ihn noch umstimmen…
    »Sie sind ein außergewöhnlicher Mann, Mr Pratt«, gestand Truman etwa anderthalb Stunden später seinem Gast. »Aber warum sollte ich auf Ihre Empfehlung eingehen und die Atombombe nicht gegen Nordkorea einsetzen?«
    David seufzte. Er hatte wie bei MacArthur seine ganze Litanei von Argumenten heruntergebetet – sogar mehrfach! – und leider nur wenig Wirkung erzielt. Vor allem die Vereinigten Stabschefs schien es nicht zu stören, wenn ihr Boss mit Streichhölzern am nuklearen Pulverfass herumspielte. Offenbar musste man Truman die Wahrheit mit dem Dampfhammer beibringen.
    »Wollen Sie als der Nero des zwanzigsten Jahrhunderts in die Geschichte eingehen?«
    Dem Präsidenten fiel die Kinnlade herunter und seine Brille beschlug sich. Im Oval Office war es mucksmäuschenstill geworden. »Was wollen Sie damit andeuten, Mr Pratt?«
    »Gar nichts möchte ich andeuten«, erwiderte David geradeheraus. »Sie könnten mich womöglich missverstehen, Mr President. Kaiser Nero, sagt man, habe Rom niedergebrannt. Aber wenn Sie nach Hiroshima und Nagasaki jetzt auch koreanische oder gar chinesische Städte mit einem Feuersturm überziehen, dann wird Nero im Vergleich zu Ihnen als antiker Menschenfreund dastehen. Mit Ihrem Amtseid haben Sie doch geschworen, Gefahren von Amerika abzuwehren, aber durch den neuerlichen Einsatz von Nuklearwaffen würden Sie die Vereinigten Staaten in der Welt zu einem Gestank machen, von dem sich die Völker angewidert abwenden würden. Und außerdem – wollen Sie wirklich einen Krieg mit China, Mr President, nur um Ihr politisches Programm durchzusetzen?«
    Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es noch lange nicht dasselbe. Normalerweise hätten wohl die ernsten, verantwortungsüberladenen sowie ebenso kenntnis- wie einflussreichen Berater und Militärs am Tisch nur gelacht, wenn ein einfacher Mensch mit diesem Vortrag zu ihnen gekommen wäre, aber bei David war das anders. Natürlich konnte man nicht zustimmen, wo man eben noch skeptisch abgewinkt hatte, deshalb befleißigte man sich zunächst eines kühlen

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