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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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heilen.«
    Kaeddong nickte. »Jetzt wird mir so einiges klar.« Kurz darauf übertönte seine Stimme erneut den Außenbordmotor, »Oh nein! Nicht auch das noch!«
    David blickte von dem Verletzten hoch und entdeckte sofort, was Kaeddong meinte. »Sieht aus wie ein Torpedoboot«, sagte er in einem Ton, der an Resignation grenzte. Abgesehen von den körperlichen Strapazen, die alle Teilnehmer der Operation hatten aushalten müssen, war David noch zusätzlich durch den Einsatz seiner besonderen Fähigkeiten geschwächt. Er wusste nicht, ob er imstande war zu tun, was ihm durch den Kopf schoss, aber wenigstens versuchen musste er es.
    »Drossel die Geschwindigkeit und bring uns längsseits an das Boot dort drüben heran«, sagte er, müde in die betreffende Richtung deutend.
    »Aber dann können sie uns doch eine volle Breitseite verpassen«, protestierte Kaeddong.
    »Vertrau mir, jüngerer Freund.«
    Der Schwarzhändler brummte eine koreanische Verwünschung und widmete sich wieder der Tugend. Als hätte er nie etwas anderes getan, brachte er sie auf einen Kurs parallel zu dem des Torpedobootes. David konnte mehrere Männer an der Reling des Kriegsschiffes sehen. Einige hielten Gewehre im Anschlag.
    »So ist es gut«, rief ein Offizier mit einer Flüstertüte. »Und jetzt stellen Sie Ihren Motor ab. Wir werden längsseits gehen und Sie an den Enterhaken nehmen.«
    David schloss für kurze Zeit die Augen und sagte zu Kaeddong, gerade laut genug, damit er es hören konnte: »Sobald das Torpedoboot verschwindet, gibst du Gas.«
    Plötzlich stiegen kleine Tröpfchen aus dem Wasser auf. Erst wenige – es sah aus, als würde das Meer sieden –, aber dann erhob sich eine brodelnde Wasserwand zwischen der Tugend und dem Kriegsschiff. Die Mannschaften verloren sich aus den Augen.
    Kaeddong ließ den Außenbordmotor aufheulen. »Bitte sag mir, dass ich träume«, jammerte er, hielt aber brav den von David angewiesenen Kurs.
    »Du träumst«, antwortete der einfach. Obwohl der Morgen auf dem Meer kühl war, standen ihm Schweißtropfen auf der Stirn.
    Auf der Brücke des Torpedobootes wurden wütende Befehle geschrien. Beinahe schon hatte man die Spione gefasst, die ein aufgeregter Nachbar Chung-guns gemeldet hatte – und nun das! Erstaunlicherweise wollte jetzt auch der Schiffsantrieb nicht mehr gehorchen. Ein metallisches Knirschen ging durch das Schiff, als die starken Dieselmotoren an der Propellerwelle zerrten, aber die Schraube am Heck ihren Dienst verweigerte. Sie stand still, oder zumindest so gut wie. Bei einer Umdrehung pro Minute hätte dem Stolz der koreanischen Flotte selbst ein Ruderboot entkommen können.
    Kurze Zeit später brach David erschöpft zusammen.
    Kaeddong wollte einfach nicht glauben, was er in den letzten Stunden erlebt hatte. »Ha! Ich – die größte Landratte aller Zeiten – habe ein Boot mit Kranken und Kindern durchs Meer gelenkt«, wiederholte er alle paar Minuten, als handele es sich um den Refrain eines alten Seemannsliedes.
    Phillihi pflegte bei jedem Ausruf kurz innezuhalten und den korpulenten Skipper aus großen Augen anzusehen. Schwieg er wieder, streichelte sie ihre beiden Patienten weiter.
    Kurz bevor die Tugend bei der Jadeprinzessin anlangte, gewann David die Besinnung zurück. Schwerfällig richtete er sich auf. Phillihi saß bei dem noch immer ohnmächtigen Il und hielt seine Hand.
    »Wir werden wohl eine Weile ohne unseren Kapitän auskommen müssen«, sagte David.
    Kaeddong spuckte ins Wasser. »Ich fürchte, hier wimmelt es bald von Schiffen. Egal wie es um Il steht, wir müssen so schnell wie möglich von der Insel verschwinden.«
    David seufzte. »Ja, und zwar irgendwohin, wo ich Il operieren und er sich anschließend erholen kann.«
    »Heißt das, er würde einen Transport bis in den Süden nicht überleben?«
    »Ich fürchte, ja. Du kennst nicht zufällig einen Schlupfwinkel hier in der Gegend, wo die koreanischen Kanonenboote nicht nach uns suchen werden?«

 
    Vabanquespiel
     
     
     
    Die Kugel steckte im Hüftknochen. Zum Glück hatte sie keine größere Arterie verletzt. Aber was hieß schon Glück? Abgesehen von der halben Flasche soju, dem »Whiskey des kleinen Mannes«, musste der Schmuggler die Operation ohne Betäubungsmittel durchstehen. David hatte zuletzt vor über dreißig Jahren bei derartigen Eingriffen assistiert, aber nie einen solchen selbst durchgeführt. Er war froh, als Il schnell das Bewusstsein verlor. Das Schiff schwankte. Die Morgensonne schickte

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