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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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weiße Körper. Eine Weile brüteten wir alle über seinen Worten, aber ich gebe offen zu, dass ich keine Ahnung hatte, was William damit meinte. Robin jedoch gab nicht so schnell auf. »Was bringt einen zum Weinen? Meiner Erfahrung nach ist es meist eine Frau, aber in diesem Fall … Ach, ja. Weißer Körper, man beißt hinein, und es bringt einen zum Weinen. Eine Zwiebel!« Wir brüllten unsere Anerkennung und tranken auf ihn. Und so ging es Rätsel um Rätsel weiter, bis Wein, Fleisch und das sanfte Stöhnen des Windes in den Felsen uns einen nach dem anderen in den Schlaf wiegten.
     
    Die Wintermonate in Messina vergingen langsam, aber friedlich. Jede Nacht schlief ich mit Nur im Arm ein. Ich beherrschte ihre Sprache immer besser, und sie lernte Französisch, die gemeine Sprache der Armee, bis wir uns einigermaßen verständigen konnten. Eines Nachts erzählte sie mir, wie ihr Leben verlaufen war, ehe wir uns begegnet waren. Es war eine schreckliche Geschichte. Sie kam aus einem kleinen Dorf nicht weit von der Küste nahe der christlichen Stadt Tyros. Eines Tages vor zwei Jahren hatten armenische Seeräuber das Dorf überfallen und sie zusammen mit vielen anderen Jungen und Mädchen des Dorfes verschleppt. Sie wurden geschlagen und vergewaltigt, gefesselt und in das Piratenversteck bei Seleukia weiter im Norden gebracht. Dort wurden die Jungen kastriert, um sie zu Eunuchen zu machen, Nur selbst jedoch wurde zu ihrer Verwunderung mit einer Art rauher Freundlichkeit behandelt. Als sie jedoch zu fliehen versuchte, brannte man ihr mit einem heißen Eisen ein kleines arabisches Zeichen wie ein krakeliges, umgekehrtes L in den Knöchel, und danach wurde sie mit etwa zwanzig anderen Mädchen in einem Harem eingesperrt.
    Hier brachte man ihr im zarten Alter von dreizehn Jahren die vielerlei Arten bei, Männern Lust zu bereiten, mit denen sie jetzt mir solchen Genuss bereitete. Ich fühlte mich schuldig, weil meine Freude einem so brutalen Quell entsprang, doch sie beruhigte mich: »Alan«, sagte sie, »ich hatte mich bis jetzt noch nie einem Mann freiwillig hingegeben. Und wenn meine frühere Pein dich heute glücklich macht, dann bin ich froh, sie durchlitten zu haben.«
    Nach etwa sechs Monaten im Harem wurde sie an einen Trupp fränkischer Ritter verkauft, die weiße Waffenröcke mit einem roten Kreuz darauf trugen. Ich wusste, dass die Templer am ganzen Mittelmeer die Finger im Sklavenhandel hatten, wobei sie immerhin behaupteten, niemals Christen zu versklaven. Dennoch fand ich es traurig und ein wenig schockierend, dass sie in der hässlichen Geschichte meines wunderschönen Mädchens auch eine Rolle gespielt hatten. Aber wie Tuck so oft betonte, sind die Wege des Herrn nun einmal unergründlich, und durch die Hände dieser Ritter des salomonischen Tempels war Nur zu mir gelangt. Die Templer hatten sie an einen Kaufmann aus Messina verkauft, der mit Weihrauch, Seide und Gewürzen handelte. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, weiterverkauft zu werden, doch behielt er sie und eine Handvoll anderer Mädchen zu seinem persönlichen Vergnügen. Und dort hatte ich sie dann gefunden, in dem großen, geplünderten Haus in der Altstadt. Malbête und seine Mannen hatten es in der Nacht der Verwüstung gestürmt, den Kaufmann und seine Diener auf der Stelle getötet und dann vor Freude gejohlt, als sie seinen exquisiten Harem entdeckt hatten. Sprachlos und halb wahnsinnig vor Angst, hatte Nur mit angesehen, wie die Soldaten die Mädchen an die Pfähle gebunden und sie abwechselnd vergewaltigt und gequält hatten …
    An diesem Punkt hielt ich Nur sacht den Mund zu. Mehr wollte ich nicht hören.
    »Warum sind Männer so?«, fragte Nur nach einer Weile traurig und verwirrt. »Wir bereiten ihnen Lust, wir bringen ihnen Essen, besorgen ihre Häuser und gebären ihre Kinder. Warum sollten sie uns dann so behandeln?«
    Ich wusste keine Antwort darauf und konnte ihr nur sagen, dass nicht alle Männer gleich seien. »Du hast so viel erlitten, mein Liebling, und so viel Grausamkeit ertragen, aber jetzt bist du bei mir in Sicherheit, unter meinem Schutz und dem meines Herrn Robin. Ich lasse nicht zu, dass dir je wieder etwas Schlimmes widerfährt.«
     
    Den Winter über verbrachten Little John und ich abwechselnd den ganzen Tag bei Robin. Wir beschränkten die Anzahl der Leute, die zu ihm vorgelassen wurden, und ich begriff allmählich, welch komplizierte Angelegenheit die Verwaltung einer kleinen Armee von vierhundert Mann war.

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