Der Kreuzfahrer
Jeden Tag galt es Dutzende Entscheidungen zu treffen, Strafen und Belohnungen zuzuteilen und die Verpflegung für die Soldaten bereitzustellen. Schon lange war sämtlicher Proviant, den wir aus Yorkshire mitgebracht hatten, verbraucht.
Robin kaufte mit Richards Silber große Mengen Weizen und Gerste in Messina, und unsere eigenen Müller und Bäcker waren tagtäglich damit beschäftigt, mehrere hundert Laib Brot zu backen, die an die Männer verteilt wurden. Wir hatten auch eigene Brauer, denn Bier war ein weiterer wichtiger Teil der täglichen Verpflegung und musste ebenfalls maßgenau an die Männer verteilt werden. Dann gab es Rationen von Käse und Fleisch, Fisch am Mittwoch und Freitag, Früchte und Gemüse, getrocknete Erbsen und Bohnen.
All dies wurde zum Glück sehr effizient von Little John und seinen stämmigen Quartiermeistern verwaltet, und ich musste eigentlich nicht mehr tun, als Nachrichten an Robin weiterzugeben. Er fällte dann eine Entscheidung – ob es nun um einen Streit zweier Männer ging oder eine Bitte, die Brot- oder Bierrationen zu erhöhen, darum, welcher Trupp der Reiter oder Bogenschützen Nachtwache halten, auf die Jagd oder auf die Suche nach Brennholz gehen sollte – und ich überbrachte seine Befehle dann dem betreffenden Hauptmann oder Vintenar.
Ich hatte noch immer keine Spur zu unserem Attentäter, aber es gab keine weiteren Anschläge auf meinen Herrn, und die Strategie, Robin von den Männern abzuschirmen, schien sich zu bewähren. Wir beide besuchten mehrmals den König, um zu musizieren. Manchmal waren auch die anderen Troubadoure anwesend, einschließlich Ambroise und des grässlichen Bertran de Born, dann wieder waren wir nur zu dritt. Ich bemerkte, dass der König Robins Gesellschaft offenbar sehr genoss, und ich glaube, mich mochte er auch. Ich hatte ihm die Gelegenheit geboten, mit seinen Versen zu glänzen und seine Gäste beim Weihnachtsfest zu beeindrucken. Meiner Erfahrung nach ist das mit der leichteste Weg, sich einen Mann, sei er Prinz oder Bettler, gewogen zu machen.
Was seinen königlichen Cousin Philip Augustus betraf, hatte Richard einen viel schwereren Stand. Der französische König hatte versucht, Tankred Richard abspenstig zu machen, und es hatte viel Geflüster und geheime Zusammenkünfte gegeben, in denen Philip Tankred beschwor, Richard nicht zu trauen. Unser König war begreiflicherweise verärgert über das verräterische Treiben seines Jugendfreundes, doch er arrangierte eine private Unterredung mit Tankred, überhäufte ihn mit Geschenken und feierlichen Versprechungen und überzeugte so den schwankenden sizilianischen König davon, dass er ihm nichts Böses wolle. Doch schon zeichnete sich am Horizont ein viel ernsteres Ereignis ab, das König Philip zu Recht sehr verärgern und unsere heilige Mission zum Kentern bringen konnte, noch ehe wir von Sizilien aus in See stachen: die bevorstehende Heirat des Königs mit Prinzessin Berengaria von Navarra.
Anfang März kursierten Gerüchte im Lager, der König hole eine wunderschöne Prinzessin aus Nordspanien nach Sizilien mit der Absicht, sie zu heiraten. Viele in seiner Armee begrüßten das. Richard zog schließlich für die heilige Sache in die Schlacht, also war es nur klug von ihm, Hochzeit zu halten und vielleicht sogar einen Erben zu zeugen, bevor er im Kampf gegen die Sarazenen sein Leben aufs Spiel setzte. Aber es gab ein Haar in der Suppe. Richard war seit über zwanzig Jahren mit Alice verlobt, der Schwester des Königs von Frankreich. Alice war eine traurige Frau. Sie war schon so lange am englischen Hof zu Gast – seit Richard ein kleiner Junge gewesen war –, dass sie inzwischen angestaubt wirkte. Als sie noch ein heiratsfähiges junges Mädchen gewesen war, hatte König Henry, Richards Vater, sie in sein Bett gelockt. Nach ein paar Jahren war er ihrer überdrüssig geworden und hatte sie fallenlassen. Richard, der formal mit ihr verlobt war, hatte daraufhin recht taktlos verkündet, er wolle lieber in alle Ewigkeit verdammt sein, als eine abgelegte Hure seines Vaters zu heiraten.
Ich konnte Richards Standpunkt verstehen. Ich würde auch nicht gern dieselbe Furche beackern wie mein Vater, aber für einen König ist die Eheschließung eine Frage der Staatsräson. Seine Weigerung trübte das Verhältnis zu König Philip, der Richard zur Heirat mit Alice drängte, noch mehr. Richard zögerte die Angelegenheit höflich hinaus, doch mit der Zeit wurde sie zum schwerwiegendsten Anlass
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