Der Kreuzfahrer
beruhigt – oder der König Hilfe schickt?«, fragte Joshe. Er klang eher erschöpft denn besorgt. Robin blickte sich auf der kleinen rechteckigen Dachplattform um. Etwa ein Dutzend zornig aussehende junge Juden standen hinter der hölzernen Brustwehr, beobachteten den Burghof und erwiderten gelegentlich die von unten gebrüllten Beleidigungen. An der Brustwehr entlang lagen etwa alle fünf Schritte kopfgroße Steine bereit, in Haufen zu je einem Dutzend, die mit vernichtender Wirkung auf Angreifer hinabgeschleudert werden konnten. Robin betonte stets, dass die wichtigste Waffe einer jeden Festung ihre Höhe sei, und wir befanden uns hier gut fünfzig Fuß über unseren Gegnern. Die Feldsteine, die eine frühere Besatzung des Turms mühselig hier heraufgehievt hatte, würden furchtbaren Schaden unter den Feinden anrichten, wenn sie aus dieser Höhe geworfen wurden.
»Ich glaube schon«, antwortete Robin. »Wir haben genug Männer, um sie uns vom Leib zu halten, bis Hilfe eintrifft oder sie wieder zur Besinnung kommen. Ich sähe es lieber, wenn dieser Turm aus Stein erbaut wäre. Aber ich denke, wir müssten ihn halten können. Solange dieser Pöbel da draußen kein Katapult oder Ähnliches in die Finger bekommt.«
Er sah mich an. Und ich erinnerte mich mit einem Schaudern an die Schlacht von Linden Lea, zu der Sir Ralph Murdac eine Mangonel herbeigeschafft hatte, die wahre Felsbrocken hatte schleudern können. Sobald die richtige Reichweite gefunden war, hatten diese gewaltigen Geschosse unsere hölzernen Palisaden durchschlagen wie Strohmatten.
Joshe schien damit zufrieden zu sein. »Würdet Ihr mit hinunterkommen und zu den Leuten sprechen?«, bat er. »Ich glaube, das könnte helfen.«
Robin starrte ihn einen Moment lang an. Sein Blick aus silbrig glitzernden Augen wirkte leer, und sein Schweigen währte unbehaglich lange. »Ich komme gleich. Erst muss ich mich mit Alan besprechen«, erklärte er schließlich.
Joshe neigte den halb kahlen Kopf. »Danke. Ich werde alle zusammenrufen«, sagte er. Dann raffte er sein langes Gewand, um nicht darüber zu stolpern, und stieg die Treppe hinab.
Als der alte Mann fort war, packte Robin mich am Arm. »Du musst gehen, Alan. Du kannst entkommen, verstehst du?« Ich starrte ihn nur ungläubig an. Er fuhr fort: »Warte bis Mitternacht, dann nimm ein Seil aus dem Lagerraum. Du brauchst dich nur am Turm hinunterzulassen und durch die Ouse zu schwimmen. Und selbst wenn sie dich erwischen, bist du als Christ vor ihnen sicher.«
»Wir könnten beide fliehen«, sagte ich, um ihn auf die Probe zu stellen, obgleich ich seine Antwort schon kannte.
»Ich kann nicht fort.« Robin blickte mir fest ins Gesicht. »Ich brauche Reuben. Reuben ist das Geld und meine wichtigste Verbindung zu mehr. Ich brauche Reuben lebendig, sonst … nun ja, ich muss ihn am Leben halten«, erklärte er schlicht. Dann fügte er hinzu: »Ich glaube, dies hier wird eine üble Sache, eine sehr üble Sache, und deshalb bitte ich dich dringend, zu fliehen – noch heute Nacht. Das ist nicht dein Kampf.«
Ich straffte die Schultern und erwiderte den Blick seiner hellen grauen Augen. »Als ich in Euren Dienst trat«, sagte ich steif, »habe ich geschworen, Euch treu zu sein bis in den Tod. Diesen Eid werde ich nicht brechen. Wenn Ihr hierbleibt und Euch dem Kampf gegen diese Wahnsinnigen stellt, dann werde ich an Eurer Seite bleiben.«
»Du bist wahrhaftig ein Narr, Alan«, sagte Robin, doch mit freundlicher Stimme. »Ein sentimentaler Narr. Aber ich danke dir.« Lächelnd klopfte er mir auf die Schulter. »So sei es also. Wir werden kämpfen. Dann tue ich jetzt wohl besser etwas für die Moral der Truppe.«
Und damit ging er. Ich blieb an der Brustwehr stehen, starrte in die Dunkelheit hinaus und fragte mich, ob ich einen gewaltigen, möglicherweise tödlichen Fehler machte. Auf dem Burghof schien nächtliche Ruhe einzukehren, und im Licht der wenigen noch brennenden Fackeln sah ich, wie Hunderte von Menschen sich um die Gebäude der Burg schlafen legten. Andere standen Wache, beinahe wie richtige Soldaten, jedoch mit einem Sammelsurium rostiger Spieße und Äxte, Rechen und Sensen bewaffnet. Der weiß gewandete Mönch war endlich verstummt und verschwunden, und von Sir Richard Malbête war nichts mehr zu sehen. Ich schaute nach rechts hinab zur schwarzen Ouse und erkannte, dass inzwischen Dutzende von Lagerfeuern zwischen dem Bergfried und dem Fluss loderten. Der hasserfüllte Pöbel hatte sich
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