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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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die Sehne mit beiden Händen rückwärts und streckt dabei das rechte Bein, bis die Sehne hinter zwei eisernen Haken am Schaft gesperrt wird. Dann legt man einen Bolzen in die Rinne auf der Oberseite, hebt die Waffe an die Schulter, zielt und betätigt den Abzug an der Unterseite der Säule, wie der Schaft einer Armbrust genannt wird. Dadurch wird die Sperre oder Nuss freigegeben, die Bogensehne schnellt nach vorn und schießt den Bolzen mit tödlicher Geschwindigkeit ab. Auf kürzere Entfernungen kann man recht genau zielen und so viel Kraft auf den Bolzen übertragen, dass er auf fünfzig Schritt ein Kettenhemd durchdringt.
    »Nimm deine Gugel ab, Alan, und halte sie seitlich am ausgestreckten Arm«, befahl Robin mir plötzlich. Ich lehnte an einem Stapel Kisten vor der Wand und bemühte mich, zuversichtlich dreinzuschauen – doch bei diesen Worten sank mir der Mut. Ich wusste, was er vorhatte. Seufzend, doch loyal wie immer, zog ich mir die Kapuze vom Kopf und hielt sie so weit wie möglich von meinem Körper weg vor die rauhen Holzbohlen der Wand.
    Ein scharfes Surren war zu hören, und die prächtige Gugel wurde mir aus der Hand gerissen und von einer halben Elle Eichenholz mit Stahlspitze an die Wand geheftet. »Haben das alle gesehen?«, fragte Robin. »Gut. Stellt euch in einer Reihe auf. Jeder hat einen Schuss auf die Gugel.« Er grinste mich feixend an. »Dann gibt Alan an jeden von euch eine Armbrust und ein Dutzend Bolzen aus.«
     
    Ich verbrachte eine unbehagliche, aber beinahe ereignislose Nacht zusammengerollt hinter der Brustwehr und schlief nur kurz und unruhig. Ohne meine Gugel war mein Kopf ganz kalt. Die einzige Aufregung während der Nacht verursachte einer von Robins tapferen neuen Kriegern, indem er sich einen Armbrustbolzen in den Fuß schoss. Er musste weinend vor Schmerzen die Treppe hinuntergetragen werden, während seine Kameraden über seine Ungeschicklichkeit spotteten.
    Die Sonne zog über einer düsteren Szenerie herauf. Offenbar waren während der Nacht noch mehr Leute aus der Stadt gekommen, denn die Belagerer waren zahlreicher geworden. Jetzt drängten sich wohl fünf- oder sechshundert Menschen um den Turm, die hin und wieder Beleidigungen und Drohgesten gegen uns richteten, uns aber im Wesentlichen ignorierten.
    Die Burgwachen waren nirgends zu sehen, ebenso wenig Sir John Marshal, der Sheriff von Yorkshire. Einer der jungen Juden berichtete mir, beim Eintreffen der ersten Flüchtlinge sei eine Handvoll Soldaten hier gewesen, jedoch rasch verschwunden, als der Turm sich mit Juden füllte. Das beunruhigte mich, denn es hörte sich so an, als hätten sie Befehl gehabt, den Juden den Turm zu überlassen – weshalb sonst hätten sie ihre Posten aufgeben sollen? Steckte dahinter ein Plan, sämtliche Juden an einen Ort zu locken, wo man sie umso leichter töten konnte? Nein, allein der Gedanke war verrückt.
    Die Sonne stand hoch am Himmel, und die Glocken von York riefen zur Terz, als Bruder Ademar, der wahnsinnige weiß Gewandete, wieder zu predigen begann. Wie schon am Abend zuvor stand der Fuchsritter Malbête neben ihm. Er ragte über dem gedrungenen Mönch auf, während dieser über Gott und den Teufel, den Großen Kreuzzug und tote Juden geiferte. Ich konnte seine Worte nicht recht verstehen, doch der Wind erfasste einzelne Fetzen und wehte sie zu mir herauf wie einen fauligen Gestank. Seinen Zuhörern jedoch schien seine Rede zu gefallen. Einmal forderte er alle auf, niederzuknien, segnete die Leute und ließ sie das Vaterunser beten. Dann setzte er seine Hasspredigt fort, untermalt durch das Geräusch seines langen Holzkreuzes, mit dem er beim Reden unaufhörlich auf den Boden pochte.
    Robin hatte seine kampfbereiten Krieger in drei Gruppen oder Kompanien zu je etwa fünfzehn Mann eingeteilt, nach Alter und Fähigkeiten gut gemischt. Jeweils eine Kompanie würde sich im Erdgeschoss ausruhen, während die beiden anderen den Turm schützten. Wir hatten genug Armbrüste, um jeden diensthabenden Mann mit einer Waffe auszurüsten, und einige hatten zudem Schwerter und sogar ein paar Spieße gefunden, mit denen sie sich verteidigen konnten.
    »Wenn sie kommen«, sagte Robin zu den etwa dreißig Juden – den zwei Kompanien, die als Erste zum Kämpfen eingeteilt waren –, »werden sie voller Zuversicht sein. Wir lassen sie ganz nah herankommen, näher, als uns angenehm ist, und dann schmettern wir sie nieder. Rückhaltlos. Mit ein wenig Glück werden wir dafür sorgen, dass

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