Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
Vom Netzwerk:
einlegten, um in donnerndem Galopp wieder auf mich loszureiten. Diesmal rührte ich mich nicht vom Fleck, bewunderte im Stillen die zur Schau gestellte Reitkunst und lehnte das Schwert beiläufig an die Schulter, während die feindliche Kavallerie heranstürmte. In einer Entfernung von fünfzig Schritt ließ die Trompete erneut einen langen Ton hören, drei Mal hintereinander, und wundersamerweise wurden die Zügel wieder heftig angezogen, die Lanzen reckten sich dem Himmel entgegen. Die Rösser schnaubten protestierend, Brocken von Gras und Erde flogen durch die Luft, und unter lautem Fluchen der Reiter kam die ganze gewaltige Masse aus schweißnassen Pferdeleibern und gerüsteten Männern etwa eine Lanzenlänge vor Ghosts weicher Nase schlitternd zum Stehen. Ich starrte die keuchenden Reiter an, grüßte sie mit dem Schwert und ließ es dann in seine zerschrammte Scheide gleiten.
    »Na, haben wir dir einen ordentlichen Schrecken eingejagt, Alan?«, fragte der helmlose Reiter nur leicht außer Atem und grinste mich dabei an wie ein betrunkener Lehrling am Feiertag.
    »Aber natürlich, Mylord«, entgegnete ich tiefernst. »Eure furchterregenden Manöver haben mich in solche Angst versetzt, dass ich mir beinahe in die Hose gemacht hätte.« Es gab ein paar Lacher aus den Reihen der Berittenen. Dann erwiderte ich das Grinsen und sagte in gespielter Bescheidenheit: »Das war ein wahrhaft beeindruckendes Schauspiel, wirklich. Aber wenn ich mir erlauben darf, Herr …« Ich machte eine Pause. »Natürlich bin ich kein Experte, was die Reiterei betrifft, aber wäre das Ganze nicht noch wirkungsvoller, wenn
alle
Reiter anstürmen würden … in dieselbe Richtung … im selben Moment?«
    Das belustigte die Reitersoldaten noch mehr. Dann zeigte ich hinter Robin, wo ein Dutzend Reiter der neu aufgestellten Kavallerie des Earl of Locksley erschöpft ihre schaumbespritzten, noch immer kaum beherrschbaren Tiere aus dem Tal heraufführten. Robin wandte sich um, sah hinüber und lächelte schief.
    »Wir arbeiten daran, Alan«, sagte er. »Wir geben uns wirklich alle Mühe. Und sie haben ja noch ein wenig Zeit zum Üben, ehe wir sie nach Outremer bringen.«
    »Sie sind ein Haufen disziplinloses Gesindel, weiter nichts! Eine Tracht Prügel solltet Ihr ihnen verpassen!«, kam es barsch von einem Mann auf einem prachtvollen rotbraunen Hengst neben Robin. Ich betrachtete ihn neugierig. Die Reihen der keuchenden Kavallerie bestanden hauptsächlich aus vertrauten Gesichtern, und ich hatte inzwischen einige ehemalige Gesetzlose mit einem fröhlichen Nicken gegrüßt, doch diesen Mann kannte ich nicht. Er war groß und schon fast nicht mehr mittleren Alters, und seine Kleidung, Bewaffnung und die Qualität seines Pferdes wiesen ihn als Ritter aus. Er hatte rötlich blondes Haar und ein zerfurchtes Gesicht, das vermutlich durch ständiges Stirnrunzeln so finster geworden war.
    Robin sagte: »Darf ich dir Sir James de Brus vorstellen, meinen neuen Reiterhauptmann, der dafür verantwortlich ist, diesen Haufen zurechtzustutzen. Sir James, dies ist Alan Dale, ein alter Kamerad, guter Freund und mein sehr begabter Trouvère.«
    »Freut mich, Euch kennenzulernen«, sagte Sir James. Mir fiel auf, dass er einen leichten schottischen Akzent hatte. »Dale, Dale …«, fuhr er nachdenklich fort. »Ich fürchte, der Name sagt mir nichts. Wo liegen die Ländereien Eurer Familie?«
    Sofort schlug Ärger in mir hoch. Ich schämte mich meiner bescheidenen Herkunft und konnte es nicht leiden, nach meiner Familie gefragt zu werden – schon gar nicht von Angehörigen des Ritteradels, die ihre normannische Abstammung allzu gern erwähnten, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Ich funkelte den Mann an und schwieg.
    Robin antwortete für mich. »Alans Vater kam aus Frankreich hierher«, sagte er geschickt. »Er war der Sohn des Seigneur D’Alle, von dem Ihr gewiss gehört habt. Alan selbst ist Lord of Westbury, in Nottinghamshire.«
    Robin hatte die Wahrheit gesagt, was meinen Vater betraf. Er war tatsächlich der jüngere Sohn eines unbedeutenden französischen Ritters gewesen, doch Robin hatte nicht erwähnt, dass er ein mittelloser reisender Musikant gewesen war, ein Trouvère wie ich, aber ohne einen Herrn. Eine Weile hatte er davon gelebt, in den Hallen des französischen Adels aufzutreten, wo er Robin begegnet war. Dann hatte er sich in meine Mutter verliebt und sich in einem kleinen Dorf außerhalb von Nottingham angesiedelt, um Getreide und

Weitere Kostenlose Bücher