Der Kreuzfahrer
der Sarazenen gesprochen. Sir James war schon einmal als Pilger in Jerusalem gewesen, ehe es an Saladin gefallen war, und er hatte viel über den Kampfstil der türkischen Kavallerie gelernt – offenbar hervorragende Reiter, die üblicherweise dicht an den Feind heranritten, ihn vom Sattel aus mit Pfeilen beschossen und sich dann rasch zurückzogen. Da erschien plötzlich Nur an unserem Tisch und brachte Brot und kalten Braten zu Sir James’ ausgezeichnetem Wein.
Brus starrte sie finster an, aber er musterte ja jedermann mit gerunzelten Brauen – das war sein normaler Gesichtsausdruck. Doch Nur schien sich vor ihm zu fürchten und trat näher an mich heran. Da bemerkte sie einen losen Faden an meiner Cotte, und mit einer klassisch weiblichen Geste zupfte sie ihn ab und strich dann den Stoff an meiner Schulter wieder glatt.
Ausnahmsweise einmal achtete ich nicht weiter auf Nur. Ich beobachtete Sir James und überlegte, wie man die Reiterkrieger der Sarazenen besiegen könnte. Plötzlich sah ich, wie ihm vor Überraschung der Mund offen stehen blieb. Als Nur gegangen war, beugte er sich vor und sagte mit gedämpfter Stimme: »Bitte verzeih mir, Alan, falls ich dir zu nahe trete, aber ist dieses bezaubernde Mädchen deine Bettgenossin?«
Ich errötete und erwiderte: »Selbstverständlich nicht. Sie ist keine gemeine Hure. Sie ist ein gutes Mädchen, eine junge Dienerin, der ich dabei behilflich bin, zu ihrer Familie im Heiligen Land heimzukehren.«
»Aber du weißt, dass sie bis über beide Ohren in dich verliebt ist?«, fuhr Sir James fort. »Ich meine, das sieht selbst ein Blinder.«
Ich war sprachlos. Ich war schlicht noch nicht auf den Gedanken gekommen, dass Nur meine Gefühle erwidern könnte.
Sir James erkannte offenbar, dass er unsicheren Boden betreten hatte, und begann, belangloses Zeug zu schwatzen, damit ich Zeit hatte, mich wieder zu fangen.
»Ich kannte einst so ein schönes Mädchen, na ja, nicht so schön wie sie, und sie liebte mich auch, aber ich hatte einen Rivalen«, erzählte er. »Das war damals in Schottland, ach, ist lange her, aber ich erinnere mich genau an ihr Gesicht. Dorothea, oder Dotty, so hieß sie …«
Ich hörte gar nicht richtig zu. Ich wollte Nur nachlaufen, sie bei den Armen packen und von ihr Antwort verlangen, ob sie mich liebte oder nicht. Doch ich schaffte es, mich zu beherrschen, und fragte geistesabwesend: »Hast du Schottland deshalb verlassen? Der Liebe wegen?«
»Pah, nicht doch. Kein so hehrer Grund, nur ein Totschlag. Ich habe einen Douglas umgebracht, und wenn man einen Douglas tötet, muss man sich in Acht nehmen, denn dann sind sie alle hinter einem her, der ganze summende Bienenstock, und wollen sich rächen. Die sind so übel wie die Murdacs, was die Rache angeht, aber die Murdacs stehen glücklicherweise auf unserer Seite.«
»Was ist geschehen?«, fragte ich, nun doch neugierig geworden.
»Es gab eine ganz gewöhnliche Streiterei in einer Schenke in Annandale, aber die Gemüter erhitzten sich, Klingen wurden blankgezogen, und ehe ich michs versah, lag der junge Archie Douglas tot zu meinen Füßen. Ich ging auf die Burg, um mit dem Oberhaupt der Brus persönlich zu sprechen, meinem Onkel Robert. Ich wollte wissen, was man in dieser Sache unternehmen könnte, und er war recht mitfühlend, muss ich sagen. Jemanden aus Versehen zu töten war ihm selbst nicht fremd. Also bezahlte er den Douglas’ ein Wergeld – der kleine Archie war nicht allzu viel wert, er war ein Taugenichts und ein Trunkenbold, und der Brus ein reicher Mann. Doch gemäß der Vereinbarung, mit der eine Blutfehde zwischen den beiden Clans verhindert werden sollte, musste er mich fortschicken. Der Earl of Huntingdon, der damals gerade auf der Burg weilte und ein Verwandter der Countess of Locksley ist, schlug vor, dass ich in Robins Kavallerie eintrete und ihm helfe, sie auf Vordermann zu bringen. Und eines sage ich dir, Alan, ich bin froh, dass ich dem Vorschlag gefolgt bin. Seit ich mich diesem Haufen schäbiger Faulenzer angeschlossen habe, bin ich so glücklich wie nie zuvor.« Er schenkte mir dieses grässlich verzerrte Lächeln – und mir wurde klar, dass ich ihm glaubte. Er war tatsächlich glücklich. Das finstere Gesicht und das barsche Auftreten waren nur seine Art, diese Gefühle zu verbergen und sich und seine Würde vor allzu großer Vertrautheit mit den Männern zu schützen.
»Was hast du gerade über die Murdacs gesagt?«, fragte ich.
»Oh, die sind schlimmer
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