Der Kreuzfahrer
Nur aus meinen fiebernden Gedanken zu vertreiben, indem ich mich in körperliche Anstrengungen stürzte. Robin hatte mir vorgeschlagen, mich im Kampf mit der Lanze zu üben, den ich noch kaum beherrschte, und er hatte den Hauptmann unserer Kavallerie, Sir James de Brus, gebeten, mich zu unterweisen.
Sir James ließ mich am Quintan üben, den er außerhalb des Lagers auf einem einigermaßen ebenen Gelände nördlich der Stadt aufgebaut hatte. Über uns auf einem hohen Hügel, von dem aus man ganz Messina überblicken konnte, ließ König Richard gerade eine riesige hölzerne Festung errichten. Das war ein sonderbares Bauwerk aus vorgefertigten Teilen, die Richard aus Frankreich mitgebracht hatte. Man sah Fußsoldaten, die sich mit einem langen Abschnitt der Brustwehr samt fertiger Zinnen den Hang hinaufquälten, ein ebenso seltsamer Anblick wie etwa eine Gruppe Berittener, die mit Hilfe ihrer Pferde eine gewaltige hölzerne Tür den steilen Hügel hinaufschleppten. Aber ich erkannte den Grund dafür: Bauholz war knapp, und es war nur vernünftig von Richard, sein eigenes Baumaterial für eine Verteidigungsstellung mitzubringen, statt sich darauf zu verlassen, dass der liebe Gott jeweils vor Ort alles Nötige zur Verfügung stellen würde. Die Festung sollte »Mategriffon« heißen – was wörtlich »Tod den Griffonen« bedeutete – und die Einheimischen daran gemahnen, dass Richard von seinem neuen Bollwerk aus die Stadt Messina einnehmen und ihre Bewohner bestrafen konnte, wann immer es ihm beliebte.
Die Plünderung der Stadt zeitigte zwei interessante Folgen: Zum Ersten war König Philip sehr erzürnt gewesen, als er Richards Flagge über der Stadt hatte wehen sehen – er hatte wohl erwartet, dass Richards wahnwitziger Angriff mit ein paar Handvoll Reitern fehlschlagen würde. Er hatte gedroht, mitsamt seiner Armee nach Frankreich zurückzukehren, wenn er nicht die Hälfte der Ausbeute abbekam. Und zweitens war König Tankred von Sizilien so eingeschüchtert von der blitzartigen Eroberung seiner lukrativsten Hafenstadt, dass er Richard Berge von Gold und Silber bezahlt hatte, um den Konflikt beizulegen. Das Geld, Truhe um Truhe voller Münzen, stellte angeblich den Rest von Königin Joannas Morgengabe dar. Tatsächlich konnte man es auch als Bestechung betrachten, mit der Tankred sich Richards Wohlwollen und zukünftige Unterstützung sichern wollte. Tankred hatte Feinde in Italien, und eine Allianz mit dem mächtigsten Prinzen der Christenheit war wertvoller als bloßes Geld.
Die stille Diplomatie des Robert of Thurnham trug viel dazu bei, die Wogen zwischen dem englischen und dem französischen König zu glätten. Richard entfernte seine Banner von den Mauern Messinas und ersetzte sie durch die Flaggen der Tempelritter und Johanniter. Die Stadt wurde in die Verantwortung dieser beiden großen Ritterorden gegeben. Dann ordnete Richard an, dass sämtliche Beute aus der geplünderten Stadt abzugeben sei. Natürlich war niemand in unserer Armee so dumm, zuzugeben, dass er irgendwelches unrechtmäßig erworbene Gold oder Silber besaß. Das war also eine bedeutungslose Geste, der Richard keinerlei Nachdruck verlieh. Doch um für Frieden zwischen der Stadtbevölkerung und unseren Soldaten zu sorgen, verbot Richard das Glücksspiel und stellte es unter wahrhaft grausame Strafe. Außerdem setzte er den Preis für Brot und Wein fest und schrieb vor, dass die Griffonen diese Grundnahrungsmittel nicht teurer verkaufen durften.
Als letzte Geste seines Friedenswillens, die ich äußerst großzügig fand, übergab Richard ein Drittel des Goldes, das er von Tankred erhalten hatte, an König Philip. Derart besänftigt, zog der französische König sich in seinen Bau im Palast zurück, wo er zweifellos einen neuen Grund suchte, um sich über unseren großherzigen Monarchen zu beschweren. Mein Freund Ambroise erzählte mir eines Abends bei einem Becher Wein und einer röschen Schweinshaxe, dass der große und heilige Kriegszug des französischen Königs weniger den Sarazenen galt als vielmehr König Richard. Und obwohl das als feinsinniger Scherz gemeint war, steckte in seinem weinseligen Witz mehr als nur ein Körnchen Wahrheit.
Der Quintan war ein waagrechter Balken mit einem runden Holzschild an einem Ende und einem Gegengewicht in Form eines ledernen Sacks voll Getreide oder Wasser am anderen. Der Balken war drehbar auf einem senkrechten Pfosten montiert, und wenn man mit der Lanze den Schild traf, rotierte der
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