Der Kreuzfahrer
als der Teufel selbst, was Rache anbetrifft«, antwortete Sir James. »Komm einem Murdac in die Quere, und es gibt Mord und Totschlag, wie wir zu Hause sagen.«
»Du sagtest, sie stünden auf eurer Seite?«
»Oh ja, meine Mutter war eine Murdac, die Tochter von Sir William Murdac of Dumfries und Mary Scott of Liddesdale. Aber ihr Vater, Marys Vater, meine ich, war ja ein verdammter Douglas aus Lanarkshire …«
Ich hörte ihm nur noch mit halbem Ohr zu, denn plötzlich gingen mir wieder wichtigere Dinge durch den Kopf: Ich musste herausfinden, was Nur für mich empfand, und dazu musste ich mich mit ihr verständigen können.
Ich suchte Reuben in der Altstadt auf, wo er wieder sein komfortables Quartier bei dem jüdischen Kaufmann bezogen hatte. Es kostete mich einige Überredung, doch schließlich erklärte er sich bereit, mir die Grundzüge des Arabischen beizubringen. Er würde mir jeden Tag eine Lehrstunde geben, und schon am darauffolgenden Tag wollten wir damit beginnen. Ich hätte Reuben auch bitten können, als Dolmetscher einzuspringen, aber ich wollte unbedingt selbst mit Nur sprechen können und herausfinden, welche Gefühle sie für mich hegte. In einem solch zärtlichen Augenblick sollte kein anderer Mann uns stören.
Ich ritt wie beflügelt von der Altstadt und Reuben zum Kloster zurück. Doch als ich dort ankam, wirkte das Hauptquartier wie erstarrt vor Entsetzen. Der Teufel war unter uns, flüsterte ein Wachsoldat am Tor mir zu. Und er hatte seine roten Klauen in den Earl of Locksley geschlagen.
Tatsächlich war Robin schwer erkrankt, abermals dem Tode nahe. Er lag auf seinem Bett, bleich und mit seinem eigenen Erbrochenen bespritzt – aber ich glaubte nicht, dass dies das Werk des Teufels war. Jemand hier im Kloster hatte versucht, meinen Herrn zu vergiften, zweifellos dieselbe Person, die schon den Anschlag in Burgund verübt hatte.
Kapitel 10
R obins gesamte Streitmacht – knapp vierhundert Bogenschützen, Reiter und Spießträger – hatte am Hafen Aufstellung genommen, um die Bestrafung mit anzusehen. Es war ein trüber Tag, dicke graue Wolken spuckten immer wieder leichten Regen aus, und die schwächliche Sonne lugte nur ab und an hervor. Der Gefangene, ein Seemann namens Jehan von meinem eigenen verhassten Schiff, der
Santa Maria,
hatte mit einem einheimischen Fischer um Geld gespielt. Er hatte beim Würfelspiel verloren und schuldete dem Griffonen fünf Shilling – mehr, als er besaß. Also hatte er sich zu zahlen geweigert und vorgebracht, als Pilger auf dem Weg ins Heilige Land müssten seine Schulden eingefroren werden, bis er von seiner heiligen Reise zurückkehrte. Das war ein frecher Winkelzug, denn tatsächlich hatte der Papst selbst angeordnet, dass die Schulden eines jeden, der an diesem Kreuzzug teilnahm, zu stunden seien, bis der Schuldner heimkehrte.
Doch dieser Erlass hatte vor allem Ritter mit hohen Grundschulden dazu ermuntern sollen, in den Krieg um Jerusalem zu ziehen. Der Heilige Vater hatte damit gewiss nicht verschlagenen Sündern erlauben wollen, sich um ihre Spielschulden zu drücken. Der Fischer hatte sich bei den Johannitern beklagt, die seinen Teil Messinas verwalteten, und diese hatten die Angelegenheit vor den König gebracht. Richard war nun fest entschlossen, an dem armen Kerl ein Exempel zu statuieren. Jehan hätte wirklich lieber bezahlen sollen oder besser noch, König Richards Verbot befolgen, keinesfalls mit den Griffonen um Geld zu spielen.
Er sollte gekielt werden – eine grausame Strafe, die bedeutete, dass der Gefangene bei lebendigem Leib unter dem Kiel eines Schiffes hindurchgezogen wurde, von einem Ende zum anderen. Das ist wesentlich schlimmer, als es sich anhört, denn nach Monaten auf See ist der Kiel eines jeden Schiffes mit Seepocken verkrustet. Diese winzigen anhaftenden Gebilde sind kaum einen Viertelfinger hoch, aber rauh und scharfkantig genug, um Haut und Muskeln zu zerfetzen, wenn ein nackter Körper darübergeschleift wird. Zudem besteht natürlich die Gefahr des Ertrinkens. Der Kielgeholte muss unter Wasser den Atem anhalten, während er die Qual erleidet, über die Seepocken gezerrt zu werden. Viele ertranken unter dieser Bestrafung, und wer sie überlebte, war hinterher regelrecht zerfleischt. König Richard hatte angeordnet, dass dieser Mann drei Mal an drei aufeinanderfolgenden Tagen gekielt werden sollte. Das war im Grunde ein Todesurteil.
Der Seemann wurde bis auf eine leinene Kniehose ausgezogen, an Händen
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