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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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Balken mit hoher Geschwindigkeit, und der Sack voll Getreide konnte einen unvorsichtigen Reiter schwungvoll aus dem Sattel fegen.
    Ich hatte schon ein paar Mal mit einer solchen Vorrichtung trainiert, als ich tief im Sherwood Forest bei einem alten Sachsenkrieger namens Thangbrand gelebt hatte. Doch ich hatte den Quintan nie gemeistert. Immerhin wusste ich, dass es auf Schnelligkeit ankam. Als Sir James mich also zum ersten Mal anwies, auf den Quintan zu reiten, trieb ich Ghost zum Galopp und ritt flott auf das Ziel zu. An meinen linken Arm war ein trapezförmiger Schild geschnallt, den ich nicht gewohnt war, mit dem rechten legte ich einen langen, stumpfen Speer an.
    Ich stellte fest, dass es sehr viel schwieriger war, die schwere Lanze zu halten, als ich angenommen hatte. Das gepolsterte Ende wackelte und schwankte unkontrolliert, während ich mich den Bewegungen des Pferdes anpasste, und so verfehlte ich das Ziel gründlich. Ghost zauderte, wurde aber vom eigenen Schwung weitergetragen. Im letzten Moment scheute er leicht zur Seite, um dem Ziel auszuweichen, das einen Augenblick später überraschend heftig gegen meinen Schild krachte und mich beinahe aus dem Sattel stieß. Der Mehlsack pfiff haarscharf hinter meinem Rücken vorbei.
    Ich trabte zu Sir James de Brus zurück, der mir mit finsterer Miene entgegenblickte, und rechnete fest mit einem Schwall von Hohn und Spott. Ich hatte gehört, wie er seine Männer tadelte, und wenn er zornig war, legte er eine Ausdrucksweise an den Tag, die einen Zuhälter hätte erröten lassen. Doch er sagte nur: »Am Anfang macht es jeder falsch. Seht mir noch einmal zu.« Er galoppierte locker auf den Quintan zu und hielt die Lanze gerade vor den Körper. Die lange, schwere Holzstange hing so reglos in der Luft, als steckte sie in einem Schraubstock. Er ritt schwungvoll auf das Ziel zu, legte die letzten Meter in vollem Galopp zurück, traf die hölzerne Zielscheibe genau in der Mitte und war schon an dem Apparat vorüber, ehe der schwingende Mehlsack ein Viertel seines Wegs zurückgelegt hatte.
    Ich versuchte es erneut, verfehlte wieder das Ziel und musste es mit meinem Schild abwehren. Dann machte ich einen Fehler – ich zügelte Ghost, um genauer zielen zu können. Aber Ghost und ich waren zu langsam, und der herumschwingende Sack traf mich mit voller Wucht in die Rippen und schleuderte mich aus dem Sattel. Angeschlagen und atemlos stieg ich wieder auf und kehrte zu Sir James zurück. »Ich denke, wir sollten mit etwas Einfacherem beginnen«, sagte der, aber nicht allzu unfreundlich.
    Sir James stellte einen etwa kopfhohen Pfosten auf, der oben gegabelt war. Darin steckte ein Ring aus geflochtenem Stroh, nicht größer als ein Apfel. Diesmal bekam ich eine echte Lanze, keine gepolsterte, und ich sollte die Spitze im Vorüberreiten durch den Ring stoßen und ihn vom Pfahl holen. Das war außerordentlich schwierig. Ich verfehlte mein Ziel immer wieder, selbst als ich nur noch im Trab anritt. Ich wurde immer frustrierter und sogar wütend auf mich selbst und Sir James de Brus, weil ich mir bei seiner Übung so klein und unfähig vorkam.
    »Jetzt versucht es noch einmal im Galopp«, wies er mich an, nachdem ich den Ring zum zwanzigsten Mal verfehlt hatte. Ich verbiss mir eine zornige Erwiderung und gab Ghost die Sporen. Er gehorchte, und wir donnerten auf den Pfahl mit dem Ring zu. Seltsamerweise gab das galoppierende Pferd mir eine stabilere Ausgangslage, und als wir uns dem Ring näherten, stieß ich mit der Lanze zu, als hätte ich ein Schwert in der Hand. Zu meinem Erstaunen traf ich den Strohkranz und hob ihn sauber von dem Pfahl. Ich jubelte innerlich. Triumph – endlich! Sir James empfing mich sogar mit einer verzerrten Grimasse, die ich als seine zerknäulte Version eines Lächelns auffasste. »Und noch einmal«, befahl er barsch. Also ritt ich wieder an.
    Binnen einer Woche beherrschte ich das Ringstechen. Bei neunzehn von zwanzig Versuchen gelang es mir, ihn vom Pfahl zu holen. Nun wandten wir uns wieder dem Quintan zu. Nach zwei weiteren Wochen hatte ich auch den gemeistert. Und einen Freund gewonnen.
    Nach einem langen Tag der Übung am Quintan lud Sir James mich ein, einen Krug Wein mit ihm zu teilen. Es war später November, und die Tage wurden immer kürzer. An jenem grauen Nachmittag saßen wir allein im Refektorium, bis auf zwei Ritter, die am anderen Ende des Saals Wurfzabel spielten, das manche auch Backgammon nannten.
    Wir hatten über die Kavallerietaktik

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