Der Kreuzritter - Aufbruch - Vägen till Jerusalem
das in der Ferne immer kleiner wurde, und verstand, dass er sein Zuhause nie wiedersehen würde. Sigrid vermochte ihn nicht zu trösten.
Für Pater Henri kam Sigrids Besuch ungelegen. Pater Stéphane, sein alter Freund und Kollege aus Clairvaux und inzwischen Prior in Alvastra, war zu Besuch. Sie
wollten die schwierige Situation diskutieren, die dadurch entstanden war, dass die Königin das Volk gegen die Klosterbrüder in Varnhem aufhetzte. Mit Stéphane besprach Pater Henri solche schwierigen Fragen am liebsten. Sie waren seit der Jugendzeit zusammen gewesen und hatten der ersten Gruppe angehört, die vom heiligen Bernhard persönlich die entsetzliche Anweisung erhalten hatte, sich in den kalten und barbarischen Norden zu begeben, um dort ein Tochterkloster zu gründen. Es war eine lange, schrecklich kalte und düstere Wanderung in den Norden geworden.
Pater Stéphane hatte den Bericht über das Wunder von Arnäs gelesen und sich so mit Sigrids Problem vertraut gemacht. Eigentlich hatte man sowohl in Alvastra und Varnhem als auch im Mutterkloster in Burgund damit aufgehört, Oblaten aufzunehmen. Der freie Wille des Menschen, nämlich selbst zu entscheiden, ob man den Weg Gottes oder den der Verdammnis wählte, wurde außer Kraft gesetzt, wenn man kleine Kinder aufnahm und sie im Kloster erzog. Solche Kinder waren schon im Alter von zwölf Jahren Mönche und kannten kein anderes Leben als das im Kloster. Es war leicht vorstellbar, dass eine solche Erziehung die Kinder ihres freien Willens beraubte. Deshalb hielt Pater Stéphane es für eine kluge Veränderung, keine Oblaten mehr aufzunehmen.
Allerdings durfte man das Wunder von Arnäs nicht einfach abtun. Wenn die Eltern das Kind in dem kritischsten Augenblick Gott versprochen hatten und der Herr tatsächlich das Wunder hatte geschehen lassen, musste das Gelöbnis der Eltern als so geheiligt gelten, dass es unmöglich gebrochen werden durfte.
Wenn aber die Diener Gottes es selbst unmöglich machten, das Versprechen zu halten? Wenn man sich ganz einfach
weigerte, den Knaben aufzunehmen, da die Sitte der Erziehung von Oblaten abgeschafft worden war?
Damit entband man die Eltern vielleicht von ihrem Gelöbnis. Doch zugleich setzte man sich damit selbst über den deutlich erklärten Willen Gottes hinweg. Das war unmöglich. Folglich musste der Knabe aufgenommen werden.
Und was sollte mit Frau Sigrid geschehen? Wie es schien, hatte Gott sie wegen ihrer Unschlüssigkeit hart bestraft, und jetzt war sie hier und wollte Buße tun.
Dann ging es noch um die Frage, wie all das von der weit bedeutenderen Überlegung beeinflusst wurde, ob man nicht ganz einfach Varnhem aufgeben und nach Clairvaux zurückkehren sollte, um von dort aus dafür zu sorgen, dass Kristina und vielleicht auch ihr Mann in Acht und Bann geschlagen wurden, damit man das Problem los war und wieder von vorn beginnen konnte. Das war immerhin eine Prozedur, die einige Jahre dauern würde.
Die beiden Männer saßen im Schatten des überbauten Säulenganges, der die Kirche mit den Schlafsälen der Mönche verband. Vor ihnen draußen im Sonnenschein prangte Bruder Luciens Garten mit seinen Beeten. Pater Henri hatte Bruder Lucien in das Nebengebäude des alten Hofs geschickt, in dem Sigrid sich jetzt mit ihrem Sohn befand. Und nun wurde das belastende und schwere Gespräch der beiden Männer dadurch unterbrochen, dass Bruder Lucien zurückkehrte. Er hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt. Seufzend setzte er sich auf die Steinbank neben sie. »Ich weiß nicht recht, was ich glauben soll. Aussatz ist es vermutlich nicht, dazu sind die Wunden viel zu wässrig. Wahrscheinlich handelt es sich eher um eine Art Schweinepest, eine Krankheit, die auf die Unreinlichkeit
der Tiere zurückgeht. Es sieht aber böse aus, das lässt sich nicht leugnen.«
»Und wenn es nun lediglich eine Art Schweinepest ist? Was kannst du dagegen tun, lieber Bruder Lucien?«, erkundigte sich Pater Henri interessiert.
»Hm … meinst du wirklich, Pater, dass ich etwas dagegen unternehmen soll?«, brachte Bruder Lucien zweifelnd vor.
»Wieso?«, fragten die beiden anderen wie aus einem Mund. Beide waren gleichermaßen erstaunt.
»Nun, ich meine … wenn der Herr selbst ihr diese Krankheit geschickt hat, wer bin dann ich, den Willen des Herrn aufzuheben?«
»Hör mal, Bruder Lucien, mach dich jetzt nicht lächerlich!«, schnaubte Pater Henri irritiert. »Du bist ein Werkzeug des Herrn und tust dein Bestes, und wenn der Herr deine
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