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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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töten. Sie vergißt Rufino und Gall und hat nur noch den einen Gedanken, sich zu retten, die Soldaten hinzuhalten, sie zu befriedigen, zu bitten, alles zu tun, was getan werden muß, damit sie sie nicht töten. Wieder rutscht sie aus, und diesmal läßt einer sie los und wirft sich über sie, auf Knien, mit gespreizten Beinen. Auch der andere läßt sie los und tritt einen Schritt zurück, um voll Erregung zuzuschauen. Der über ihr fuchtelt zur Warnung mit seinem Gewehr: Wenn sie schreit, wird er ihr das Gesicht zerschlagen, und sie, klarsichtig, fügsam, lockert sich sofort und bleibt ruhig und bewegt sanft den Kopf, um den Soldaten zu beruhigen. Es ist der gleiche Blick, der gleiche bestialische, gierige Ausdruck wie damals. Aus halbgeöffneten Augen sieht sie ihn an der Hose fingern, sie aufknöpfen, während er mit der Hand, die das Gewehr endlich losgelassen hat, ihr den Rock hochzuschieben versucht. Sie hilft ihm, zieht sich zusammen, streckt ein Bein aus, aber auch so kommt der Mann nicht zurecht und schlägt zuletzt auf sie ein. Alle möglichen Gedanken schießen ihr durch den Kopf, hinter dem Keuchen des Soldaten hört sie Donner, Trompeten, Glocken. Er liegt über ihr und schlägt mit einem Ellbogen auf sie ein, bis sie versteht und das Bein abspreizt, das ihn stört, und nun fühlt sie zwischen ihren Schenkeln das harte, feuchte Glied, das sich in sie hineinkämpft. Sie fühlt sich ersticken unter dem Gewicht, jede Bewegung des Mannes scheint ihr einen Knochen zu brechen. Sie strengt sich ungeheuer an, sich den Ekel nicht anmerken zu lassen, als sich das bärtige Gesicht an ihrem reibt und ein von Kräutersaft grüner, noch kauender Mund sich auf ihren preßt und schiebt und sie zwingt, die Lippen zu öffnen, um gierig eine Zunge hineinzustrecken, die sich eifrig an ihrer zu schaffen macht. Sie ist so damit beschäftigt, nichts zu tun, was ihn aufregen könnte, daß sie weder die Männer in Grasmänteln kommen sieht noch bemerkt, daß sie dem Soldaten ein Jagdmesser an den Hals setzen und ihn mit einem Fußtritt von ihr herunterschleudern. Erst als sie wieder atmen kann und sich frei fühlt, sieht sie sie. Es sind zwanzig, dreißig, vielleicht mehr, die Caatinga ringsum ist voll von ihnen. Sie bücken sich, ziehen ihr den Rock herunter, helfen ihr, sich zu setzen und aufzustehen. Sie hört liebevolle Worte, sieht Gesichter, die bestrebt sind, freundlich auszusehen.
    Ihr ist, als ob sie aufwachte, zurückkäme von einer sehr langen Reise, und doch sind nur wenige Minuten vergangen, seit die Soldaten über sie hergefallen sind. Was ist aus Rufino, aus Gall, aus dem Zwerg geworden? Im Traum sieht sie sie kämpfen, erinnert sich der Soldaten, die auf beide geschossen haben. Ein paar Schritte vor ihr wird der Soldat, den sie von ihr heruntergerissen haben, von einem kleinen, untersetzten, schon älteren Caboclo verhört, dessen gelblich-aschgraues Gesicht von einer Narbe zwischen Augen und Mund brutal zerschnitten ist. Sie denkt: Pajeú. Zum erstenmal an diesem Tag hat sie Angst. Der Soldat zeigt eine Schreckensmiene, beantwortet in aller Eile die Fragen, die ihm gestellt werden, und bittet, fleht mit Augen, Mund und Händen, denn während Pajeú ihn verhört, ziehen andere ihn aus. Ohne ihn zu mißhandeln, nehmen sie ihm den zerrissenen Uniformrock ab, die zerfetzte Hose, und Jurema sieht – noch immer wie im Traum, ohne Freude oder Trauer zu empfinden –, daß auf eine Handbewegung dieses Caboclo, vondem so schreckliche Geschichten erzählt werden, die Jagunços dem Soldaten, der schon nackt ist, die Jagdmesser in Bauch, Rücken und Hals stechen und der Soldat zusammenbricht, ohne Zeit zu einem Schrei zu haben. Sie sieht, daß sich einer der Jagunços bückt, das nun geschrumpfte, winzige Geschlecht des Soldaten greift, mit einem Hieb abschneidet und in ein und derselben Bewegung ihm in den Mund steckt. Dann wischt er das Jagdmesser an der Leiche ab und steckt es in den Gürtel zurück. Sie fühlt weder Mitleid noch Freude, noch Ekel. Sie wird sich bewußt, daß der Nasenlose zu ihr spricht:
    »Kommst du allein oder mit anderen Pilgern nach Belo Monte?« sagt er langsam, als ob sie ihn nicht verstehen oder nicht hören könnte. »Von wo bist du?«
    Sie hat Mühe zu sprechen. Stockend, mit einer Stimme, die ihr wie die einer anderen Frau erscheint, sagt sie, sie sei aus Queimadas.
    »Lange Reise«, sagte der Caboclo, sie neugierig von oben bis unten musternd. »Und auf demselben Weg wie die

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