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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Gefahr entgegenwirken würde?«
    »Wenn wir gemeinsam vorgehen, wird Moraes gezwungen sein, mit uns zu verhandeln und zu paktieren. Das würde Bahia davor retten, an Händen und Füßen gefesselt unter die Kontrolle eines Militärs mit den Vollmachten eines Vizekönigs zu fallen«, sagte der Baron. »Und Ihnen gäbe es die Möglichkeit, die Macht zu erlangen.«
    »Die geteilte ...«, sagte Epaminondas Gonçalves.
    »Die alleinige«, berichtigte ihn der Baron. »Die Regierung ist für Sie. Luiz Viana wird nicht wieder kandidieren, und Sie – werden unser einziger Kandidat sein. Wir werden gemeinsame Listen für das Parlament und den Stadtrat aufstellen. Ist das nicht genau das, worum Sie seit langem kämpfen?«
    Epaminondas Gonçalves errötete. War es der Cognac, die Hitze, das eben Gehörte, was ihm das Blut zu Kopfe steigen ließ? Ein paar Sekunden lang saß er still, in sich gekehrt. »Sind Ihre Parteifreunde einverstanden?« fragte er endlich. »Sie werden zustimmen, sobald sie begreifen, daß sie es tun müssen«, sagte der Baron. »Ich verbürge mich dafür, sie zu überzeugen. Sind Sie zufrieden?«
    »Ich muß wissen, was Sie im Gegenzug von mir verlangen«, sagte Epaminondas Gonçalves.
    »Daß Landbesitz und städtischer Handel unangetastet bleiben«, erwiderte der Baron auf der Stelle. »Sie und ich, wir werden jeden Versuch bekämpfen, Ländereien oder Handelsunternehmen zu konfiszieren, zu enteignen, zu intervenieren oder sonst über Gebühr zu beeinträchtigen.«
    Epaminondas Gonçalves atmete tief, als bekäme er nicht genug Luft. Er trank den restlichen Cognac auf einen Schluck aus.
    »Und Sie, Baron?«»Ich«, murmelte der Baron, als spräche er von einem Gespenst, »werde mich aus dem politischen Leben zurückziehen. Ich werde in keiner Weise ein Hindernis sein. Übrigens reise ich nächste Woche nach Europa, wie Sie wissen, und werde auf unbegrenzte Zeit dort bleiben. Beruhigt Sie das?«
    Statt zu antworten, stand Epaminondas Gonçalves auf und ging, die Hände auf dem Rücken, ein paar Schritte durchs Zimmer. Der Baron verhielt sich still. Der Besitzer des Jornal de Notícias versuchte nicht, das undefinierbare Gefühl, das ihn befallen hatte, zu verbergen. Er war ernst, erregt, neben der ihm eigenen brodelnden Energie sprachen Unruhe und Neugier aus seinen Augen.
    »Obwohl ich sicher nicht über Ihre Erfahrung verfüge, bin ich kein Kind«, sagte er, den Hausherrn herausfordernd ansehend. »Ich weiß, daß Sie mich täuschen, daß Ihr Vorschlag eine Falle enthält.«
    Der Baron nickte, ohne den mindesten Ärger zu zeigen. Er stand auf, um einen Schluck Cognac in die leeren Gläser zu schenken.
    »Ich verstehe, daß Sie mißtrauisch sind«, sagte er und trat, mit dem Glas in der Hand, einen Gang durchs Zimmer an, der am Fenster endete. Er öffnete es: mit einem Schwall lauer Luft drang das Jubilieren der Grillen und der Klang einer entfernten Gitarre in die Bibliothek. »Das ist normal. Aber ich versichere Ihnen: Es gibt keine Falle. Die Wahrheit ist, daß ich angesichts der gegenwärtigen Lage zu der Überzeugung gekommen bin, daß Sie der Mann sind, der die Fähigkeiten besitzt, die Politik des Bundeslandes zu leiten.«
    »Soll ich das als Lob verstehen?« fragte Epaminondas Gonçalves sarkastisch.
    »Ich glaube, daß ein Stil, eine bestimmte Art, Politik zu machen, passé ist«, erläuterte der Baron, als ob er ihn nicht gehört hätte. »Ich gebe zu, ich bin obsolet geworden. Ich habe im alten System besser funktioniert, als es noch darum ging, die Leute zum Gehorsam gegenüber den Institutionen zu bringen, zu verhandeln, zu überreden, Diplomatie und Formen einzusetzen. Ich konnte das recht gut. Aber das ist jetzt vorbei. Wir sind in die Zeit der Aktion, der Verwegenheit, der Gewalt, sogar des Verbrechens eingetreten. Jetzt geht es darum, die Politikgänzlich von der Moral abzukoppeln. Und da das nun einmal so ist, sind Sie derjenige, der am besten darauf vorbereitet ist, die Ordnung im Land aufrechtzuerhalten.«
    »Ich wußte ja, daß Sie mir kein Lob aussprechen wollten«, murmelte Epaminondas Gonçalves und setzte sich.
    Der Baron setzte sich neben ihn. Mit dem Grillenkonzert drangen Geräusche fahrender Kutschen, die Kantilene eines Nachtwächters, Hundegebell in den Raum.
    »In gewisser Weise bewundere ich Sie«, der Baron beobachtete ihn mit einem flüchtigen Aufblitzen in den Pupillen. »Ich hatte Gelegenheit, Ihre Kühnheit, die Komplexität und Kälte Ihrer politischen Unternehmungen

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