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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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zu ermessen. Wirklich, niemand in Bahia bringt wie Sie die Voraussetzungen mit, es mit dem Kommenden aufzunehmen.«
    »Wollen Sie mir nicht endlich sagen, was Sie von mir wollen?« sagte der Führer der Republikanischen Partei. In seiner Stimme schwang ein dramatischer Unterton.
    »Daß Sie an meine Stelle treten«, sagte der Baron mit Nachdruck. »Ist Ihr Mißtrauen ausgeräumt, wenn ich Ihnen sage, daß ich mich von Ihnen geschlagen fühle? Nicht faktisch, denn wir haben mehr Möglichkeiten als die Jakobiner von Bahia, uns mit Moraes und der Bundesregierung zu verständigen. Aber psychologisch, Epaminondas.«
    Er trank einen Schluck Cognac und wandte seine Augen ab. »Dinge sind geschehen, die ich mir nie hätte träumen lassen«, sagte er, monologisierend. »Das beste Regiment von Brasilien geschlagen von einer Bande fanatischer Bettler! Wer begreift das? Ein großer Militärstratege, beim ersten Treffen in Stücke gerissen ...«
    »Es ist tatsächlich nicht zu begreifen«, pflichtete Epaminondas Gonçalves bei. »Heute nachmittag war ich bei Major Cunha Matos. Es ist viel schlimmer, als offiziell zugegeben wird. Kennen Sie die Zahlen? Sie sind unglaublich: zwischen drei- und vierhundert Tote, ein Drittel aller Männer. Dutzende von Offizieren massakriert. Die gesamte Bewaffnung, von den Kanonen bis zu den Jagdmessern, ist verloren. Die Überlebenden kommen nackt, in Unterhosen in Monte Santo an, sie reden irre. Das Siebte Regiment! Sie, Baron, waren in Calumbí in der Nähe, Sie haben es gesehen. Was geht in Canudos vor?«»Ich weiß es nicht und begreife es nicht«, sagte der Baron bedrückt. »Es übersteigt alles, was ich mir vorgestellt habe. Und dabei habe ich geglaubt, dieses Land und diese Leute zu kennen. Durch den Fanatismus von Hungerleidern ist diese Niederlage nicht mehr zu erklären. Es muß etwas anderes sein.« Er sah ihn wieder an, ratlos. »Manchmal habe ich sogar gedacht, an diesem phantastischen Schwindel mit den englischen Offizieren und den monarchistischen Waffen, den Sie ausgestreut haben, könnte etwas Wahres sein. Nein, wir wollen nicht mehr daran rühren, das ist überholt. Ich sage es nur, damit Sie sehen, wie sehr mich verblüfft hat, was Moreira César zugestoßen ist.«
    »Mich erschreckt es eher«, sagte Epaminondas. »Wenn diese Leute das beste Regiment von Brasilien aufreiben können, dann können sie auch die Anarchie in die angrenzenden Regionen weitertragen, selbst bis hier ...«
    Er zuckte die Achseln und machte eine vage Geste wie angesichts einer nahenden Katastrophe.
    »Die einzige Erklärung ist, daß sich Tausende von Bauern, selbst aus anderen Regionen, der Bande der Sebastianiten angeschlossen haben«, sagte der Baron. »Aus Unwissenheit, aus Aberglauben, aus Hunger. Die Bremsen, die früher den Wahnsinn aufgefangen haben, existieren nicht mehr. Das bedeutet, daß wir Krieg haben werden, daß sich das Heer hier installiert, daß Bahia zugrunde gehen wird.« Er faßte Epaminondas Gonçalves am Arm. »Deshalb müssen Sie an meine Stelle treten. In dieser Lage brauchen wir einen Mann mit Ihren Voraussetzungen, der die wertvollen Elemente einigt und im allgemeinen Niedergang die Interessen Bahias verteidigt. Wegen des Schicksals von Moreira César ist ganz Brasilien gegen Bahia aufgebracht. Die Massen, die die monarchistischen Zeitungen gestürmt haben, sollen ›Nieder mit Bahia‹ geschrien haben.«
    Er machte eine lange Pause und schwenkte hastig sein Cognacglas. »Viele Leute im Landesinnern sind total ruiniert«, sagte er. »Ich selbst habe zwei Fazendas verloren. Der Bürgerkrieg wird viele überrollen und töten. Was geschieht, wenn wir uns weiterhin gegenseitig zerfleischen? Wir werden alles verlieren. Die Abwanderung in den Süden und an den Maranhão wirdzunehmen. Was wird dann aus Bahia? Wir müssen Frieden schließen, Epaminondas. Vergessen Sie die schrillen jakobinischen Töne, hören Sie auf, die armen Portugiesen anzugreifen; die Verstaatlichung der Unternehmen zu fordern: seien Sie praktisch. Das Jakobinertum ist mit Moreira César gestorben. Übernehmen Sie die Regierung und verteidigen wir in dieser Hekatombe gemeinsam die staatsbürgerliche Ordnung. Verhindern wir, daß die Republik auch hier, wie in so vielen lateinamerikanischen Ländern, zu einem grotesken Hexenkessel wird, in dem alles Chaos, Putsch, Korruption, Demagogie ist ...«
    Sie saßen eine Weile schweigend, die Gläser in der Hand, nachdenkend oder horchend. Im Inneren des Hauses waren hin

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