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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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einmal der vierte Teil der Stadt ist abgeriegelt. Sie können sie verlassen und betreten, sie können sich Nachschub beschaffen.«
    »Ohne Verstärkung können wir die Front nicht erweitern«, beklagt sich Hauptmann Carrenho. »Warum werden wir derart im Stich gelassen, Exzellenz?«
    General Oscar zuckt die Achseln. Seit seiner Ankunft in Canudos, dem Tag des Hinterhalts, hat er angesichts der hohen Sterblichkeit unter seinen Soldaten dringende, gut begründete Gesuche abgesandt, hat den Ernst der Lage sogar übertrieben. Warum schickt das Oberkommando keine Verstärkung?
    »Wenn wir fünftausend gewesen wären statt dreitausend, wäre Canudos in unserer Hand«, denkt ein Offizier laut.
    Der General zwingt sie, das Thema zu wechseln, indem er ihnen mitteilt, er werde jetzt die Front und das neue Feldlazarett besichtigen, das am Morgen neben der Schlucht des Vaza Barris errichtet wurde, sobald die Jagunços von dort vertriebenwaren. Ehe er das Haus des Feuerwerkers verläßt, trinkt er eine Tasse Kaffee und hört, unwahrscheinlich nahe, die Glocken und die Ave-Marias der Fanatiker.
    Mit seinen dreiundfünfzig Jahren ist er ein Mann von großer Energie, der nicht leicht ermüdet. Um fünf Uhr morgens, als die ersten Einheiten von der Favela aufbrachen, hat er mit dem Feldstecher alle Einzelheiten des Vormarschs beobachtet, ist dann mit der Truppe unmittelbar hinter dem Bataillon der Vorhut marschiert, ohne zu rasten, ohne zu essen, nur mit einem Schluck aus der Feldflasche von Zeit zu Zeit. Am frühen Nachmittag hat eine verirrte Kugel einen neben ihm gehenden Soldaten verletzt. Er tritt aus der Hütte. Es ist Nacht, kein Stern zu sehen. Das Raunen der Gebete überflutet alles wie ein Zauber und dämpft die letzten Schüsse. Er gibt Anweisung, daß in den Schützengräben keine Feuer angezündet werden dürfen, aber auf dem langsamen, hindernisreichen Gang entlang den labyrinthisch verwinkelten Barrikaden, hinter denen nun, einer neben dem andern, die Soldaten sitzen, an die Mauer gelehnt, schlafend, einige noch frisch genug, um zu singen oder den Kopf über die Mauer zu strecken und die Banditen zu beschimpfen – die vermutlich horchend hinter den eigenen Barrikaden sitzen, an manchen Stellen fünf, an anderen zehn Meter entfernt, an einigen sozusagen auf Tuchfühlung –, stoßen der General und die vier Offiziere seiner Begleitung dennoch auf Feuerstellen, an denen Gruppen von Soldaten aus Essensresten Suppe kochen oder Dörrfleisch aufrösten oder ihre vor Fieber zitternden Verwundeten wärmen, die wegen ihres schlimmen Zustands nicht ins Feldlazarett gebracht werden können.
    Er spricht mit den Kompanieführern, den Bataillonschefs. Sie sind erschöpft, allen spürt er die gleiche Niedergeschlagenheit an, die er selbst spürt, das gleiche Grauen vor dem Unbegreiflichen an diesem verfluchten Krieg. Während er einen jungen Fähnrich zu seinem heldenhaften Einsatz beim Angriff beglückwünscht, wiederholt er im stillen, was er sich schon oft gesagt hat: Verflucht die Stunde, in der ich diesen Auftrag angenommen habe.
    Als er in Queimadas lag und sich mit so vertrackten Problemen wie dem Mangel an Transportmöglichkeiten, an Zugtieren, anWagen für die Lebensmittel herumschlug, die ihn drei tödlich langweilige Monate dort festhalten sollten, hatte der General, noch ehe das Heer und der Präsident der Republik ihm den Oberbefehl über die Expedition antrugen, erfahren, daß drei aktive Generale das Angebot abgelehnt hatten. Nun versteht er, warum ihm aufgehalst worden ist, was er in seiner Naivität für eine Auszeichnung gehalten hat, ein Geschenk, damit er seine Karriere mit einer goldenen Spange beschließen könne. Während er Hände schüttelt und mit Offizieren und Soldaten, deren Gesichter die Nacht ihm verbirgt, Eindrücke austauscht, denkt er, wie dumm es war zu glauben, die Heeresleitung hätte ihn belohnen wollen, sie hätte ihn aus seiner Kommandantur in Piauí, in der er seine fast zwanzig Dienstjahre so friedlich verbracht hat, herausgeholt, um ihn vor seiner Pensionierung eine glorreiche Waffentat vollbringen zu lassen: die Niederwerfung einer monarchistisch-restaurativen Rebellion im Landesinneren von Bahia. Nein, sie hatten ihm diesen Oberbefehl nicht übertragen, um ihn für häufiges Übergangenwerden zu entschädigen und – wie seine Frau meinte, als er ihr die Neuigkeit berichtete – um endlich seine Verdienste anzuerkennen, sondern weil sich die anderen Heerführer nicht schmutzig machen

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