Der Krieg am Ende der Welt
lange Reise hinter sich. Er kam aus Bengalas in Pernambuco, wo er zwei Jahre lang Dorfpfarrer gewesen war, und in den folgenden Monaten hieß es, der Bischof habe ihn versetzt, weil er sich mit einer Minderjährigen eingelassen habe.
Die Leute, die er am Ortseingang traf, führten ihn auf den Kirchplatz und zeigten ihm das verfallene Haus, in dem früher einmal der Pfarrer gewohnt hatte, als Cumbe noch einen Pfarrer hatte. Das Haus war jetzt ein Loch zwischen Wänden ohne Dach, das als Müllablage und Unterstand für herrenlose Tiere diente. Dom Joaquim ging in die kleine Kirche Nossa Senhora da Conceição, rückte die brauchbaren Bänke als Bett zusammen, und so wie er war, legte er sich schlafen.
Er war jung, leicht gebückt, klein, mit Ansatz zum Bauch und einer lustigen Miene, durch die er den Leuten sofort sympathisch war. Ohne Soutane und Tonsur hätte man ihn kaum für einen Mann gehalten, der mit geistlichen Dingen umging, und man brauchte nur einmal mit ihm gesprochen zu haben, um zu merken, daß ihm die Dinge dieser Welt (vor allem die Frauen) ebenso, wenn nicht mehr am Herzen lagen. Noch am Tag seiner Ankunft zeigte er Cumbe, daß er mit den Dorfleuten umzugehen verstand wie einer der Ihren und daß seine Anwesenheit die Gewohnheiten des Dorfes nicht sonderlich stören würde. Als er ein paar Stunden später die Augen aufschlug, waren fast alle Familien zu seiner Begrüßung auf dem Kirchplatz versammelt. Es war spät in der Nacht, es hatte geregnet und wieder zu regnen aufgehört, und in der warmen Feuchtigkeit zirpten die Grillen und der Himmel kochte von Sternen. Das Vorstellen begann, ein langer Zug von Frauen, die ihm die Hand küßten, von Männern, die im Vorbeigehen den Hut zogen und ihre Namen murmelten. Nach kurzer Zeit brach Pater Joaquim die Handküsse ab und erklärte, er käme um vor Hunger und Durst. Und nun begann etwas Ähnliches wie bei dem Stationenweg der Prozession in der Karwoche, wenn der Pfarrer von Haus zu Haus geht und mit dem besten verfügbaren Fleisch bewirtetwird. Das Morgenlicht fand ihn noch in einer Kneipe von Cumbe bei Sauerkirschen in Schnaps und Wettsingen mit Matías de Tavares.
Er trat sofort sein Amt an, las Messen, taufte die Neugeborenen, nahm den Erwachsenen die Beichte ab, gab den Sterbenden die Sterbesakramente und traute die neuen Paare, auch die, die schon zusammenlebten, sich aber vor Gott anständig machen wollten. Da er ein großes Gebiet zu versehen hatte, reiste er häufig. In der Erfüllung seiner Amtspflichten war er aktiv bis zur Selbstlosigkeit. Die Gebühren, die er für jeden Dienst verlangte, waren gering, er nahm es auch hin, daß die Leute sie ihm schuldig blieben oder überhaupt nicht zahlten, denn unter den Todsünden war der Geiz diejenige, von der er entschieden frei war. Von anderen nicht, doch praktizierte er sie wenigstens ohne Ansehen der Person. Mit der gleichen Freude nahm er das saftige Zicklein eines Fazendeiros an wie den Bissen Zuckerkruste, zu dem ihn einer vom Dorf einlud, und seine Kehle machte keinen Unterschied zwischen altem Branntwein und gewöhnlichem Rum, der, mit Wasser vermischt, in Notzeiten getrunken wurde. In bezug auf Frauen schien nichts ihn abzustoßen, weder räudige Alte noch unreife Mädchen noch Frauen, die von der Natur mit Warzen, Hasenscharten oder Blödheit geschlagen waren. Mit allen scherzte er anzüglich und forderte sie auf, zum Schmücken des Altars in die Kirche zu kommen. Bei Lustbarkeiten, wenn er schon rot angelaufen war, betatschte er sie ohne die geringste Verlegenheit. Die Väter, Ehemänner und Brüder, denen er aufgrund seines religiösen Amtes weniger Mann zu sein schien, duldeten resigniert diese Kühnheiten, bei denen sie anderen gegenüber zum Messer gegriffen hätten. Jedenfalls atmeten sie erleichtert auf, als Pater Joaquim ein dauerhaftes Verhältnis mit Alexandrinha Corrêa einging, die Wahrsagerin und deshalb übriggeblieben war, die Heiligen zu bekleiden.
Der Legende zufolge hatte Alexandrinha ihre Fähigkeit, Wunder zu tun, schon als Kind zu erkennen gegeben, in dem Jahr der großen Dürre, als die Einwohner von Cumbe vom frühen Morgen an überall da Löcher gruben, wo früher üppiges Wachstum gewesen war, weil sie glaubten, dies sei ein Zeichen für Wasser unter der Erde. Frauen und Kinder halfen bei deranstrengenden Arbeit. Doch unter der ausgegrabenen Erde zeigten sich statt Feuchtigkeit nur weitere Schichten schwärzlichen Sandes oder unaufbrechbares Gestein. Bis eines
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