Der Krieg am Ende der Welt
zeitlosen, ewigen Krieg des Guten gegen das Böse, der seit Anbeginn der Zeiten geführt wurde. Deshalb ließen sie die Soldaten laufen, während sie selber im Licht der Fackeln die toten oder verwundeten Brüder in Sicherheit brachten, die mit schmerzverzerrten Gesichtern oder mit dem Ausdruck der Liebe zu Gott (wenn die Schüsse ihre Gesichter verschont hatten) auf der Hochebene oder den Hängen des Cambaio lagen. Die ganze Nacht über trugen sie die Verwundeten in die Gesundheitshäuser und brachten die Leichen in ihren besten Kleidern und in eilig gezimmerten Särgen in das Beinhaus des Tempels des guten Jesus und der Kirche Santo Antônio. Der Ratgeber bestimmte, daß sie nicht beerdigt werden sollten, ehe nicht der Pfarrer von Cumbe käme, eine Seelenmesse für sie zu lesen, und eine der frommen Frauen des Heiligen Chors, Alexandrinha Corrêa, wurde ausgesandt, ihn zu holen.
Während sie auf ihn warteten, richtete Antônio Fogueteiro Feuerwerkskörper her, und sie veranstalteten eine Prozession. Am nächsten Tag kehrten viele Jagunços auf den Kampfplatz zurück. Sie zogen die Soldaten aus und überließen die nackten Leichen der Verwesung. In Canudos verbrannten sie die Feldblusen und Hosen mit allem, was sie enthielten: Geldscheine der Republik, Zigaretten, Bilder, Haarlocken von Geliebten oder Kindern, Erinnerungen, die sie für verwerflich hielten. Aufbewahrt jedoch wurden die Gewehre, die Bajonette, die Kugeln, weil Joäo Abade, Pajeú, die Brüder Vilanova es sie geheißen hatten und weil sie begriffen, daß sie nötig waren, wenn sie erneut angegriffen würden. Da einige sich weigerten, mußte der Ratgeber persönlich sie bitten, alle diese Mannlicher, Winchester, Revolver, Pulverkisten, Patronengürtel und Schmieröldosen Antônio Vilanova zu bringen, damit er sie aufbewahre. Die beiden Krupp-Kanonen standen noch am Fuß des Cambaio, an der Stelle, von der aus sie den Berg beschossen hatten. Alles, was an ihnen brennbar war – die Räder, die Lafetten – wurde verbrannt. Die Rohre wurden mit Mauleseln in die Stadt geschleppt, damit die Schmiede sie einschmolzen.
In Rancho das Pedras, wo Major Febrônio de Brito sein letztes Feldlager aufgeschlagen hatte, stießen die Männer Pedräos aufsechs hungrige, zerlumpte Frauen, die kochend, waschend, Liebe spendend hinter den Soldaten hergezogen waren. Sie brachten sie nach Canudos, doch der Beatinho schickte sie wieder fort, denn wer aus freiem Antrieb dem Antichrist gedient hatte, sagte er, könne nicht in Monte Belo bleiben. Eine von ihnen, die schwanger war, fingen zwei Zambos, die zur Bande José Venancios gehört hatten und über den Tod ihres Chefs untröstlich waren, wieder ein. Mit einem Machetehieb schlitzten sie ihr den Bauch auf, rissen ihr die Frucht aus dem Leib und steckten statt dessen einen lebendigen Hahn hinein, überzeugt, daß sie damit ihrem Chef in der anderen Welt einen Dienst erweisen würden.
Zwei- oder dreimal hört er den Namen Caifás zwischen Worten, die er nicht versteht, und öffnet unter Anstrengung die Augen. Neben der Hängematte steht Rufinos Frau, erregt, die Lippen bewegend, Geräusche erzeugend, und es ist heller Tag und durch die Tür und die Ritzen zwischen den Latten strömt die Sonne in die Wohnung. Das Licht tut ihm so weh, daß er beim Aufstehen blinzeln und sich die Lider reiben muß. Wirre Bilder steigen aus milchigem Wasser auf, und in dem Maße, in dem sein Gehirn wach und die Welt klar wird, stellen Blicke und Geist Galileo Galls eine Veränderung in dem Zimmer fest: Boden, Wände, Dinge funkeln vor Sauberkeit, als ob alles gescheuert und glänzend gerieben worden sei. Jetzt versteht er, was Jurema sagt: »Caifás kommt, Caifás kommt.« Er bemerkt, daß die Frau des Spurenlesers nicht mehr das Kleid trägt, das er ihr zerrissen hat, sondern eine dunkle Bluse und einen dunklen Rock, daß sie barfuß ist und aufgeregt, und während er sich zu erinnern sucht, wohin an diesem Morgen sein Revolver gefallen ist, sagt er sich, daß kein Grund zur Aufregung besteht, daß ja nur der Mann im Lederzeug kommt, der ihn zu Epaminondas Gonçalves geführt und mit den Waffen zurückgebracht hat, also genau die Person, die er in diesem Augenblick braucht. Da liegt der Revolver neben dem Koffer, unter dem Bild der Virgem da Lapa. Er hebt ihn auf, und als ihm einfällt, daß keine Kugel mehr darin ist, sieht er Caifás in der Zimmertür stehen.»They tried to kill me«, sagt er hastig und dann, seinen Irrtum bemerkend, auf
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