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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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einer blinden Revolution ersticken wird, in welchem er die Saat einer Revolution gesehen hat oder sehen wollte. »Sie wollten nicht nur die Waffen holen, sie wollten mich umbringen, das ist sicher. Und das ist unbegreiflich. Wer kann daran interessiert sein, mich hier in Queimadas umzubringen?«
    »Ich, Senhor«, hört er Caifás mit unverändert monotoner Stimme sagen und spürt gleichzeitig die Schneide des Jagdmessers am Hals, doch seine Reflexe sind rasch, sind es immer gewesen, und so kann er den Kopf wegdrehen, ein paar Millimeter zurückweichen in ebendem Augenblick, da der Mann im Lederzeug ihn anspringt und das Messer abgleitet, statt in die Kehle zu dringen, und ihn weiter unten verwundet, rechts, zwischen Hals und Schulter, und in seinem Körper eher ein Kältegefühl als Schmerz hinterläßt. Er ist auf den Boden gefallen, er berührt seine Wunde, weiß, daß Blut zwischen seinen Fingern fließt; mit weit offenen Augen, wie behext blickt er auf den Ledermann mit dem biblischen Namen, dessen Gesichtsausdruck sich nicht einmal jetzt verändert hat, außer vielleicht in den Pupillen, die vorher matt waren und jetzt funkeln. Er hat das blutige Jagdmesser in der linken Hand und einen kleinen, mit Perlmutt eingelegten Revolver in der rechten. Leicht gebückt zielt er auf seinen Kopf und liefert ihm zugleich eine Art Erklärung: »Es ist ein Befehl von Epaminondas Gonçalves, Senhor. Ich habe heute früh die Waffen geholt, ich bin der Chef der zwei Männer, die Sie getötet haben.«
    »Epaminondas Gonçalves«, röchelt Gall, und der Schmerz am Hals ist jetzt intensiv.
    »Er braucht eine englische Leiche«, sagt Caifás wie zur Entschuldigung, während er den Abzug drückt, und Gall, der das Gesicht automatisch zur Seite gewandt hat, spürt einen brennenden Schmerz am Kiefer und im Haar, ein Gefühl, als ob ihm ein Ohr ausgerissen würde.
    »Ich bin Schotte und hasse die Engländer«, kann er noch murmeln und denkt, daß der zweite Schuß in seine Stirn, in seinen Mund oder ins Herz treffen wird, daß er das Bewußtsein verlieren und sterben wird, denn der im Lederzeug strecktabermals die Hand vor, doch was Gall sieht, ist eher ein Katapult, ein Aufflug, ist Jurema, die sich auf Caifás wirft und sich an ihn hängt, ihn zum Schwanken bringt, und dann hört er auf zu denken, und mit Kräften, die er nicht mehr zu haben glaubte, steht er auf und springt ebenfalls Caifás an, undeutlich registrierend, daß er blutet und brennenden Schmerz fühlt, und ehe er wieder denken und zu begreifen versuchen kann, was geschehen ist, schlägt er mit aller ihm verbleibenden Energie mit dem Revolverlauf auf Caifás ein, an den Jurema noch immer geklammert ist. Bevor er ihn in Ohnmacht fallen sieht, kann er noch beobachten, daß Caifás, während er die Schläge erhält und sich wehrt, nicht ihn, sondern Jurema ansieht und daß nicht Haß und Wut, sondern eine maßlose Verblüffung in seinen weinfarbenen Pupillen steht, als könne er nicht begreifen, was sie gemacht hat, als ob daß sie sich auf ihn geworfen und seinen Arm weggedreht und dadurch seinem Opfer die Möglichkeit gegeben hat, aufzustehen und ihn anzugreifen, Dinge wären, die er sich nicht vorstellen kann, nicht einmal im Traum. Doch als Caifás, wie gelähmt, das Gesicht von den Schlägen verschwollen, blutig von eigenem Blut oder von dem von Gall, erst das Jagdmesser losläßt, dann seinen winzigen Revolver und Gall nach diesem greift und auf ihn schießen will, ist es wieder Jurema, die es verhindert, indem sie sich an seine Hand hängt, wie zuvor an die von Caifás, und hysterisch kreischt.
    »Don’t be afraid«, sagt Gall und hat schon keine Kraft mehr, mit ihr zu ringen. »Ich muß fort, die Soldaten kommen. Hilf mir aufs Maultier, Frau.«
    Mehrmals öffnet und schließt er den Mund, sicher, daß er jetzt gleich neben Caifás umfallen wird, der sich zu bewegen beginnt. Das Gesicht verzerrt von der Anstrengung, mit dem Gefühl, daß das Brennen im Hals zunimmt und daß ihn jetzt auch die Knochen schmerzen, die Fingernägel, das Haar, geht er, gegen Koffer und Geräte taumelnd, auf diese Flamme weißen Lichts zu, die die Tür ist, und denkt: Epaminondas Gonçalves, und denkt: Ich bin eine englische Leiche.Eines wolkigen, gewitterschwangeren Nachmittags fuhr der neue Pfarrer, Dom Joaquim, ohne Raketen und ohne Glockengeläute in Cumbe ein. Er kam mit einem verbeulten Köfferchen und einer Schutzbrille gegen Regen und Sonne auf einem Ochsenkarren und hatte eine

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