Der Krieg Der Diebe
für uns alle. Wüßten sie dort, wieviel Gold in unserem Hafen schwimmt, würden sie die halbe Armee hierherschicken, um es uns wegzunehmen. Und weder sie , noch wir möchten das.« Er blickte von dem Pergament auf.
»Habt Ihr bereits jemanden gefunden, der das Gold in den Norden bringt? Ich habe auch einige Botschaften für ihn mitzunehmen. Der Krieg läuft nicht gut; ich glaube, wir können Tempus zu seinem Prinzen zurücklocken. Wir werden die einzigartigen und üblen Fähigkeiten dieses Mannes brauchen, ehe das hier vorbei ist.« Er rollte das Pergament wieder zusammen und reichte es seinem stummen Diener.
Walegrins Gesicht verfinsterte sich. Er hatte absolut kein Verlangen, Tempus wieder in der Stadt zu haben. Molin nippte an seinem Wein und bemerkte Cythen scheinbar jetzt erst. »Nun, zu den Fragen deiner Kameradin. Ich hatte keine Ahnung von der Verwandtschaft der Bedauernswerten zu Cythen. Erst nach ihrem Tod erfuhr ich davon. Und ganz gewiß wußte ich nicht, daß es gefährlich sein mochte, mit einem Beysiber ins Bett zu gehen - auch das erfuhr ich zu spät.«
»Aber Ihr habt sie beobachten lassen! Ihr müßt doch etwas vermutet haben!« brauste Cythen nun auf. Sie bohrte den Absatz in den dicken Teppich aus Wolle und Seide und hieb die Faust auf den feinen Intarsientisch des Priesters.
»Sie war, glaube ich, eine nicht ganz oder überhaupt nicht - das müßt Ihr besser wissen als ich - zurechnungsfähige Dirne des Aphrodisiahauses. Ich kann mir die Gefahren oder Freuden eines solchen Lebens nicht vorstellen. Sie empfing - als eine der wenigen, die sich dazu bereit erklärten - eine beachtliche Vielfalt von beysibischen Männern. Und da mir das Wohl der Beysiber am Herzen liegt, ließ ich diese Männer und dadurch auch sie beobachten. Es ist wirklich bedauerlich, daß sie ermordet wurde - das ist doch der Fall, nicht wahr? Aber geistesgestört, wie sie war - daß sie mit Beysibern schlief -, bedeutete der Tod da nicht eine Erlösung für sie? Ihr Geist ist nun frei, um auf höherer, glücklicherer Ebene wiedergeboren zu werden.«
Es fiel dem Priester nicht schwer, andere von seinem ehrlichen Glauben zu überzeugen. Und Cythen, die ihre eigenen Sünden nur allzu gut kannte, war versucht, seine Worte zu glauben.
»Ihr habt etwas gewußt«, sagte sie fast flehend und klammerte sich an ihre Entschlossenheit. »Genau wie die Harka Bey etwas vermuteten, als ich mit ihnen sprach.«
Molin schluckte seine frommen Worte und blickte Walegrin Bestätigung heischend an. Der blonde Mann neigte ganz leicht den Kopf und sagte: »Yorl hat es vorgeschlagen. Cythen schien besonders geeignet für die Aufgabe zu sein; außerdem hat sie sich freiwillig gemeldet.«
»Harka Bey«, murmelte der Priester nachdenklich. »Beys Rache heißt das, glaube ich, in ihrer Sprache. Ich habe Gerüchte, Legenden, ja alles mögliche über sie gehört, doch jeder bestritt, daß es auf Wahrheit beruhte. Weibliche Assassinen mit Gift im Blut? Und so wirklich, daß Cythen sich mit ihnen treffen konnte? Sehr interessant, aber keineswegs, was ich erwartet hatte.«
»Ich glaube, Eure Exzellenz, daß Yorl nur vorschlug, mit den Harka Bey in Verbindung zu treten. Es ist unwahrscheinlich, daß sie vorhatten, das Mädchen zu töten, tatsächlich versicherten sie, daß das nicht in ihrer Absicht lag.« Walegrin warnte Cythen zu schweigen, indem er eine Hand in schmerzhaftem Griff um ihren Arm legte.
»Was habt Ihr erwartet?« fragte Cythen Molin heftig und entzog Walegrin ihren Arm. »Wieso ist es so wichtig, daß sie mit Beysibern geschlafen hat? Welchen verdächtigt Ihr, sie ermordet zu haben?«
»Nicht so laut, Kind«, beschwor der Priester sie. »Vergeßt nicht, wir werden nur noch geduldet! Wir dürfen uns nicht verdächtig machen! « Er gab dem Stummen einen Wink, der daraufhin ans Fenster trat und laut eine Volksweise auf einem Dudelsack spielte. »Wir haben keine Rechte«, flüsterte Molin. Er faßte Cythen am Arm und bedeutete ihr, ihn in einen engen, fensterlosen Alkoven zu begleiten, der hinter einem Wandvorhang verborgen war.
In heiserem Flüstern begann er zu reden. »Behaltet es für euch«, warnte er, »aber ihr sollt wissen, daß das Aphrodisiahaus von unseren neuen Herren und Meistern bevorzugt wird, vor allem von den jüngeren Hitzköpfen. Unter ihnen herrscht eine Strömung, die gegen die Politik der Zurückhaltung ist. Bedenkt, daß diese Leute zu Hause einen Krieg verloren und ins Exil gehen mußten. Nun wollen sie sich
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