Der Krieg Der Diebe
kann.«
Cythen schnitt eine Grimasse und bemühte sich, nicht an den kommenden Abend oder den darauf zu denken. Sie ließ ihr Schwert in Walegrins Obhut zurück und machte sich auf den Weg. Als sie die Straße der Roten Laternen erreichte, dämmerte es bereits. Einige der ärmeren, heruntergekommeneren Dirnen, die nicht zu einem der größeren Freudenhäuser gehörten, waren schon unterwegs auf Kundenfang. Das Aphrodisiahaus war noch nicht geöffnet. Als Cythen die Stufen zu der geschnitzten Eingangstür hochstieg, höhnte ein Straßenmädchen: »Deinesgleichen nehmen sie dort nicht, Soldatenweib.«
Voll Unbehagen wartete sie darauf, eingelassen zu werden, ohne auf die spöttischen Bemerkungen von der Straße zu achten. Nur zu schmerzlich erinnerte sie sich daran, weshalb sie bisher immer am Vormittag hierhergekommen war. Der Pförtner kannte sie und öffnete die Tür. Im Erdgeschoß bereitete man sich bereits auf den Abend vor. Die Musikanten stimmten ihre Instrumente, und ein paar von Madame Myrtis’ »Damen« in feinen geblümten Gewändern machten es sich in den weichen Sesseln bequem, während Myrtis selbst sich noch in ihrem Gemach für den Abend zurechtmachte.
»Ich hatte nicht erwartet, dich je wiederzusehen«, sagte Myrtis weich. Sie erhob sich von ihrem Toilettentisch und klappte das Geschäftsbuch zu, das mehr Platz einnahm als die Fläschchen und Döschen mit Schönheitsmitteln. »Du hast mir in deiner Nachricht mitgeteilt, daß das Treffen deine Erwartungen nicht erfüllte. Doch du hast nicht erwähnt, daß du noch einmal hierherkommen würdest.«
»Stimmt, das Treffen verlief nicht wie erwartet.« Cythen beobachtete Myrtis’ glatte, jetzt verkrampfte Hände. Aus Madames Stimme schwang eine kaum merkliche Nervosität; der Tischläufer wellte sich unter dem Geschäftsbuch. Beides konnte durchaus harmlose Bedeutung haben, aber Cythen hatte Bekin hierhergebracht, weil sie erwartet hatte, daß sie hier sicher war, und dafür hatte sie auch bezahlt. Myrtis hatte die Leistung nicht erbracht, für die sie das Gold genommen hatte, und sie rechnete nun damit, daß Cythen sich dafür auf wer weiß welche Weise rächen würde.
»Ich habe mit Molin Fackelhalter gesprochen. Er hat einen Plan, der eine Möglichkeit bietet, den Mann, den er verdächtigt, in eine Falle zu locken. Ich hatte angenommen, er habe Euch inzwischen bereits eine entsprechende Nachricht zukommen lassen«, sagte Cythen rasch.
Myrtis zuckte die Schulter, ohne daß ihre Hände sich entspannten. »Seit Bekins Tod kam es zu weiteren Morden, viele an Beysiberinnen. Alle verläßlichen Boten befinden sich im ständigen Einsatz. Man vergeudet keine Zeit, wenn es um den Tod einer Freistätterin geht. Vielleicht kannst du mir aber sagen, wen Molin Fackelhalter verdächtigt, Beynitgift zu benutzen, nachdem die Harka Bey abstreiten, etwas davon zu wissen.«
»Einen Beysiber. Er vermutet, daß der Mord an meiner Schwester sich gar nicht so sehr von den Morden an den Beysibern unterscheidet.«
»Hat er einen Namen genannt?«
»Ja, Turghurt Burek.«
»Der Sohn des Premierministers?«
»Ja. Trotzdem verdächtigt Molin ihn. Der Beysiber verkehrt doch hier, nicht wahr?«
»Er hat seine Spitzel überall!« Myrtis verzog das Gesicht, während sie sich entspannte und auf das schwelende Herdfeuer deutete. Cythen vernahm ein schwaches Klicken und sah, wie die Flammen hochzüngelten. »Wir nannten ihn hier Stimme , und er benahm sich stets wie ein Gentleman - obgleich er vom Fischvolk ist. Bekin war für ihn etwas Besonderes. Eine so kindliche Unschuld findet man unter ihren Frauen selten. Er war erschüttert über ihren Tod und trauerte um sie. Er kam seither auch nicht mehr hierher.«
Nachdenklich fuhr Myrtis fort: »Er war übrigens der zweite, der uns auf die Harka Bey aufmerksam machte.« Myrtis machte eine Pause, und als Cythen schon befürchtete, daß sie ihr überhaupt nicht glauben würde, gestand die auffallend schöne Frau: »Ich mag ihn sehr. Er erinnert mich an einen Mann in meiner Jugend, den ich über alles liebte. Doch die Liebe machte mich blind. Ich war schon - sehr lange nicht mehr blind. Die Anzeichen waren vorhanden, sie hätten meinen Verdacht wecken müssen. Hat Molin Fackelhalter eine Idee, wie man den Sohn des Premierministers den Händen der Gerechtigkeit ausliefern kann, ehe es in der Stadt zum Krieg kommt und wir uns an Ranke um Hilfe wenden müssen?«
»Da Bekin die einzige Freistätterin unter den Ermordeten ist, vermutet
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