Der Krieg der Ketzer - 2
führte die Reihe charisianischer Schiffe an; flott und gewandt glitt er vorwärts, während seine deutlich schwerfälligeren Geleitschiffe ihm nur träge folgten. Hell stand die Sommersonne am strahlend blauen Himmel, den nur eine Handvoll Schönwetterwolken zierten, während ganze Schwärme von Möwen, Papageientauchern und Seewyvern, die in den Abhängen des ›Klippenhakens‹ ihre Nester hatten, sie umschwärmten und immer wieder auf sie herabstürzten. Sanft umschwappte die Brandung Sand Islet, das jetzt backbords vor dem Bug auftauchte, und auch die niedrigere Klippenreihe, die sich steuerbords bis zum Bald Rock Head erstreckte, wurde von der Brandung umspült.
Nichts, dachte er, konnte einen größeren Kontrast zu ihrer Ankunft vor dem ›Klippenhaken‹ darstellen.
»Ich kann nicht sagen, dass ich es bedaure, von hier abzureisen«, merkte Cayleb an, der neben ihm stand, und nun drehte sich Merlin zum Prinzen herum.
Cayleb trug einen Kasack und eine passende Hose, nicht mehr die Rüstung und den Helm, den er während jener gewalttätigen Nacht getragen hatte, und nun fuhr er sich durch das Haar, während auch er zu Opal Island hinüberblickte.
»Ihr seid Euch schon der Tatsache bewusst, dass das hier als eine der größten Seeschlachten in die Geschichte eingehen wird, die jemals auf dieser Welt ausgetragen wurde, nicht wahr?«, fragte Merlin fast spöttisch.
»Und wohl auch mit Recht.« Cayleb zuckte mit den Schultern. »Andererseits hatte ich ja auch gewisse … ungerechte Vorteile.«
Er lächelte, und Merlin erwiderte das Lächeln.
»Aber ich habe wirklich Mitleid mit Thirsk«, gab Merlin dann zu, und sein Lächeln schwand. »Ihr hattet recht, dass er es wirklich verdient hätte, einer würdigeren Aufgabe zu dienen.«
»Er hat bessere Chancen, etwas Derartiges zu finden, wenn er einen besseren König findet«, gab Cayleb fast scharf zurück. »Vertraut mir. Mit so etwas kenne ich mich ein wenig aus.«
»Ja, das tut Ihr.«
Dann richtete Merlin den Blick wieder auf die bewaldeten Abhänge der Insel. Graf Thirsk und seine Überlebenden sollten dort kein allzu hartes Leben fristen müssen, bis schließlich jemand die erforderlichen Schiffe ausschickte, um sie wieder nach Hause zu holen. Auf Opal Island gab es reichlich Süßwasser, sie hatten bereits akzeptable Unterkünfte errichtet – vor allem für den Sommer geeignet −, und sie hatten auch genügend Vorräte an Land gebracht, sodass die Überlebenden dort mindestens sechs Monate durchhalten würden, selbst wenn sie nicht in der Lage sein sollten, ihren Speiseplan gelegentlich durch Jagd oder Fischfang zu ergänzen. Und Cayleb hatte tatsächlich nachgegeben – zumindest ein wenig – und ihnen einige der erbeuteten Luntenschloss-Musketen und Armbrüste am Strand zurückgelassen, bevor sein Schiff an diesem Morgen den Anker gelichtet hatte.
Natürlich wird das, was Thirsk erwartet, wenn er erst einmal nach Hause zurückkehrt, etwas ganz anderes sein, dachte Merlin grimmig. Er ist der ranghöchste dohlaranische Admiral, der nach dem schlimmsten Seefahrtsdesaster der Geschichte von ganz Dohlar zurückkehrt – und nach allem, was ich bislang über König Rahnyld in Erfahrung gebracht habe, wird der eher nach einem Sündenbock suchen als nach einer Erklärung.
Darüber dachte er noch ein wenig länger nach, verdrängte dann aber den Gedanken an die Zukunft des Grafen Thirsk, und lehnte sich über die Bordwand bis fast in das Sicherheitsnetz hinein, um achtern besser die Reihe von Segeln beobachten zu können, die der Dreadnought folgten.
Die letzten dichten, schwarzen Rauchsäulen, die von fünfzig lodernden Schiffen aufstiegen, zogen immer noch über den Himmel hinweg, folgten der Galeonen-Flotte aus dem Ankerplatz heraus. Nach einer Reparaturzeit von zwei Fünftagen wirkte die Reihe der Schiffe äußerst beeindruckend – vor allem mit den Besen, die man bei jedem Schiff an der Spitze der Bramstenge befestigt hatte. Cayleb hatte laut aufgelacht, als Merlin ihm diese Geste und den dahinterstehenden Symbolismus erklärt hatte, doch der Kronprinz war fast schlagartig wieder ernst geworden, als er begriff, wie passend es war. Seine Galeonen hatten die Feinde tatsächlich weggefegt.
Merlins Mundwinkel zuckten, als er an dieses Gespräch zurückdachte, doch dann verblasste seine Belustigung wieder: Denn drei Segel fehlten, und wieder erfasste ihn die Trauer um den Schoner Wyvern.
Er wusste nicht, was mit ihr geschehen war. Als seine SNARCs die
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