Der Krieg der Ketzer - 2
haben.«
»Wieso?«
»Weil sie in einem sehr, sehr unauffälligen Einsatz praktisch sämtliche Spione in Tellesberg in Gewahrsam genommen haben, Euer Durchlaucht, und anscheinend auch überall sonst im ganzen Königreich – und das bereits im letzten Oktober.«
»Im Oktober?!«
»Jawohl, Euer Durchlaucht. Offensichtlich mussten sie zumindest einen Teil dessen, was geplant war, deutlich früher in Erfahrung gebracht haben, als wir alle vermutet haben. Und ich denke, das könnte auch das völlige Schweigen sämtlicher anderen Agenten erklären, die Ihr erwähnt habt.«
»Aber dieser Mann ist ihnen entgangen, weil nicht einmal die anderen Spione in Coris’ Diensten etwas von wussten«, schlussfolgerte Black Water langsam.
»Ganz genau danach sieht es aus, Euer Durchlaucht.«
»Aber …« Black Waters Blick wurde noch konzentrierter. »Ich bin bereit zu wetten, dass er nicht einfach nur zu Ihnen gekommen ist, um Ihnen zu sagen, dass alle anderen Spione bereits vor drei Monaten in Gewahrsam genommen wurden. Also, Baron: Was hat ihn gerade jetzt zu Ihnen getrieben?«
»Tatsächlich hat er bereits seit zwei Monaten versucht, mit mir Kontakt aufzunehmen, Euer Durchlaucht, aber das war nicht so einfach. Die Charisianer haben den gesamten Verkehr durch den ›Schlund‹ und rings um Lock Island fest im Griff, und sie lassen ständig leichte Kampfeinheiten in der Charis-See nördlich der Rock Shoal Bay patrouillieren. Besagter Mann musste über Land reisen, um nicht den ›Schlund‹ passieren zu müssen, und dann musste er sich einen Schmuggler suchen, der bereit war, ihn nach Emerald überzusetzen. Tatsächlich hat er sogar drei Versuche dafür unternehmen müssen, weil besagter Schmuggler zweimal wieder zurückgerudert ist, nachdem er einen charisisanischen Schoner gesichtet hatte.
Aber Ihr habt sehr wohl recht: Er ist wirklich nicht nur aus einer Laune heraus zu mir gekommen. Tatsächlich ist er gekommen, um mir zu berichten, die gesamte Galeonen-Flotte von Charis sei im Oktober in See gestochen – unter dem Oberkommando von Kronprinz Cayleb persönlich.«
»Was?!« Erstaunt riss Black Water die Augen auf, dann blickte er den Botschafter an, fast als sei er über ihn erbost. »Das ist doch lächerlich! Unsere Kundschafter haben doch deren Marssegel hinter Haarahlds Galeeren gesichtet!«
»Nicht laut der Aussage dieses Mannes, Euer Durchlaucht«, gab White Castle vorsichtig zurück. »Er hat mehr als fünf Jahre lang als Schiffsausrüster in Tellesberg gearbeitet, in der königlichen Werft. Und laut dem, was er von ›Freunden‹ erfahren hat, die er bei der Navy hat finden können, sind dreißig ihrer Galeonen, an denen die Charisianer so fieberhaft gearbeitet haben, mehrere Fünftage, bevor Ihr die Eraystor Bay erreicht habt, von Lock Island aus in See gestochen. Und«, fuhr der Baron fort, »laut dem, was er in Erfahrung gebracht hat, haben die Charisianer immer noch nicht ihre Galeeren-Reserven mobilgemacht. Und nicht nur das! König Haarahld hat zwei oder drei Dutzend Handelsgaleonen für nicht näher benannte Zwecke zwangsrekrutiert. Auch wenn der Mann das nicht mit absoluter Sicherheit hat bestätigen können, hat er doch beobachtet, dass zumindest ein Dutzend Handelsschiffe, die dank des Krieges untätig bleiben mussten, Tellesberg verlassen haben unter dem königlichen Banner. Niemand scheint genau zu wissen, wo diese sich jetzt aufhalten.«
Black Waters Kiefer mahlten angestrengt. War es wirklich möglich …?
»Sie sagen, er sei im Oktober in See gestochen. Hat dieser Mann eine Vorstellung wohin?«
»Nicht die geringste«, gab White Castle zu.
»Na ja, sie werden ja nicht die Segel gesetzt haben, ohne irgendein Ziel vor Augen gehabt zu haben«, sagte Black Water langsam; es war offensichtlich, dass er im Augenblick laut nachdachte. »Ich frage mich …«
Mit finsterer Miene blickte er auf den Boden, rieb sich das Kinn, dann hob er den Kopf wieder und schaute erneut White Castle an.
»Wir alle sind davon ausgegangen, dass Haarahld nicht wusste, was auf ihn zukommt − zumindest nicht, bis wir tatsächlich in See gestochen sind. Aber wenn er diese Galeonen schon früher losgeschickt hat, dann muss er irgendetwas gewusst haben –, und das wahrscheinlich fast genauso früh wie wir. Aber er kann es nicht von seinen Spionen in Corisande erfahren haben; die hatten nicht die Zeit, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen; nicht so schnell. Dafür ist Manchyr einfach zu weit entfernt. Und so früh kann er
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