Der Krieg, der viele Vaeter gatte
„Heroismus" und die Disziplin der Deutschen. Doch was er 1914 in seinem Werk „Germany and England" schreibt, klingt in anderer Weise düster.
„Die Deutschen zeigen den Impuls eines aktiven, expansionsdürstigen,
weltreichhungrigen Volkes. ... Deutschland wird auf das englische Welt
reich stoßen wie Alarich auf Rom 21 ." 22
Das ist ein Menetekel.
Im Krieg verschlimmert sich das Deutschlandbild noch einmal ganz erheblich. Der Historiker John Headlam-Morley „weist" in Schriften zwischen 1915 und
1918 anhand der Geschichte nach, daß „der hochorganisierte Militärstaat Deutschland Europa mit totalitärer Alleinherrschaft bedrohe, das britische Weltreich zerstören wolle und schon lange vor dem Kriege den Plan zur Erringung der Alleinherrschaft gehabt habe." 23
Hier wird an den Universitäten offensichtlich nachvollzogen, was in der politischen Elite Englands schon seit Jahren durch die Köpfe geistert. Es ist die Saat für den späteren Alleinschuldvorwurf von Versailles 1919 und den Weltherrschaftsvorwurf von Nürnberg 1945.
In England krallt man sich inzwischen längst an einem „Feindbild Deutschland" fest. Eine Vielzahl hinterlassener Schriften gibt davon Zeugnis. So schreibt der englische Botschafter Sir Francis Bertie am 11. Juni 1904 an einen Freund:
„Dein Brief vom 2ten atmet Mißtrauen gegen Deutschland und Du hast
Recht. Deutschland hat nie etwas anderes getan als uns zu schröpfen. Es
20
Messerschmidt, Seite 60
21
Die Westgoten unter Alarich greifen 401 n.Chr. die Römer in Oberitalien an und werden geschlagen. 22
Messerschmidt, Seite 84
23
Messerschmidt, Seite 91
ist falsch und habgierig. Deutschland ist in Wirklichkeit unser wirtschaftlicher und politischer Feind." 24
Der Unterstaatssekretär im Londoner Außenministerium Sir Charles Hardinge schreibt in einer Denkschrift vom 30. Oktober 1906:
„Man muß ganz allgemein zur Kenntnis nehmen, daß Deutschland infolge
seiner ehrgeizigen Pläne für eine Weltpolitik, eine maritime Vorherrschaft
und eine militärische Vorherrschaft in Europa der einzige Störfaktor ist." 25 Auch im Ausland wird die wachsende Feindschaft der Briten gegenüber ihren deutschen Vettern registriert. Der amerikanische Generalkonsul in München Gaffney notiert in Rückschau auf seine Aufenthalte in Großbritannien vor dem Ersten Weltkrieg:
„Bei meinen jährlichen Besuchen stellte ich erstaunt und amüsiert fest,
wie die Feindschaft gegen Deutschland wuchs. Meine englischen Freunde
zögerten nicht, mir mit völliger Offenheit und der üblichen englischen
Anmaßung zu erklären, daß es nötig sei, Deutschland zu zerstören oder
Großbritannien würde seine wirtschaftliche Vormachtstellung auf den
Weltmärkten verlieren." 26
In der Biographie des ehemaligen US-Diplomaten Henry White ist ein Gespräch zwischen White und dem Führer der Konservativen Partei Englands und vormaligen Premierminister Lord Balfour überliefert, das beide im Jahre 1910 in London führten. Der Amerikaner White sieht Deutschland zu der Zeit offensichtlich in der gleichen Rolle eines aufstrebenden Landes wie die USA. Auch sein Land Amerika expandiert in Flottenbau und Handel.
Balfour: „ Wir sind wahrscheinlich töricht, daß wir keinen Grund finden, um
Deutschland den Krieg zu erklären, ehe es zu viele Schiffe baut und uns
unseren Handel wegnimmt."
White: „Sie sind im Privatleben ein hochherziger Mann. Wie können Sie etwas
politisch so Unmoralisches erwägen, wie einen Krieg gegen eine harm
lose Nation zu provozieren, die genauso gut wie Sie das Recht hat, eine
Flotte zu unterhalten? Wenn Sie mit dem deutschen Handel mithalten
wollen, arbeiten Sie härter."
Balfour: „Das würde bedeuten, daß wir unseren Lebensstandard senken
müßten. Vielleicht wäre ein Krieg einfacher für uns."
White: „Ich bin schockiert, daß Sie sich zu grundsätzlichen Fragen so äußern
können."
Balfour: „ Ist das eine Frage von Recht oder Unrecht? Vielleicht ist das aber
eine Frage der Erhaltung unserer Vorherrschaft." 27
24
MGFA, Marine, Seite 267 25
MGFA, Marine, Seite 268 26
Gaffney, Seite 11
27
Nevis, Seite 257
Am 19. April 1911 warnt der Stellvertreter des Unterstaatssekretärs Hardinge, Sir Arthur Nicolson, seinen Chef in einem Brief, sich außenpolitisch von Rußland ab und Deutschland zuzuwenden:
„Es ist unmöglich, die Anhänger einer solchen Politik davon zu überzeu
gen, daß Deutschland keine Freundschaft auf gleicher Augenhöhe einge
hen
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