Der Krieg, der viele Vaeter gatte
potentieller Gegner Nummer eins, seitdem es Frankreich als erste Macht des Kontinents in fast jeder Hinsicht eingeholt beziehungsweise überrundet hat.
Serbien, seit 1878 ein unabhängiger Staat, will Führungsmacht eines neuen Großreichs auf dem Balkan werden und dazu die kleinen Nachbarländer zu „Großserbien" zusammenfügen. Eine großserbische Bewegung außerhalb deroffiziellen Staatsgewalt fordert diesen Expansionsgedanken durch Propaganda und wiederholte Terrorakte in Serbiens Nachbarländern. Davon sind auch die Habsburger Gebiete Kroatien und Bosnien betroffen.
Habsburg als Vielvölkerstaat bemüht sich, die Unabhängigkeitsbestrebungen seiner nichtdeutschen Mitgliedsvölker teils durch mehr Autonomie, teils durch Mitbeteiligung an der Zentralgewalt zu unterlaufen. Doch das Vielvölkerstaatsproblem ist 1914 nicht gelöst. Habsburg, zu dem auch viele slawische Nationen zählen, kann dabei Auseinandersetzungen mit Rußland, das sich selbst als Schutzherr aller Slawen ansieht, kaum aus dem Wege gehen. Hinzu kommt Konfliktstoff mit den Serben. Die Habsburger Regierung hat dem eigenen Staatsgebiet die zwei ehemals osmanischen Provinzen Herzegowina und Bosnien 1908 formlich angegliedert und sie den Osmanen 1909 mit Kaufvertrag bezahlt. Beide Landesteile waren auf internationalen Beschluß ohnehin seit 30 Jahren von Österreich-Ungarn fremdverwaltet. Mit dieser Landerwerbung ist Serbien die gewünschte Expansion in Richtung Adria verbaut.
Deutschland erlebt zwischen 1871 und 1914 ein rasches Wachstum der Bevölkerung und den Übergang zum Industriestaat. Damit ist es zunehmend auf die Importe von Nahrungsmitteln für die Menschen und von Rohstoffen für seine Industrien angewiesen. So ist das neue Deutsche Reich gezwungen, einen angemessenen Platz im Welthandel zu suchen, in dem die guten Plätze schon besetzt sind. Die deutschen Bestrebungen, ab 1884 Kolonien zu erwerben, den eigenen Anteil am Welthandel auszubauen, Bergbau- und Erdölförderkonzessionen in Übersee zu kaufen und den Nahen Osten durch Eisenbahnbau für sich zu erschließen, sind in erster Linie verantwortungsvolle Mühen, die Ernährungs- und Erwerbsgrundlage der stark wachsenden Bevölkerung zu sichern. In zweiter Linie sind sie das riskante Unterfangen, sich als eine Großmacht wie England oder Frankreich darzustellen.
Damit kreuzen sich die Interessen der gerade beschriebenen sechs Staaten in Elsaß-Lothringen, in Serbien, an den Dardanellen, an den Ölfeldern im Nahen Osten und im Welthandel. Zum Stolperstein und zum Verhängnis werden die Interessen da, wo sich alle Linien schneiden, auf dem Balkan. Österreich ist am Status quo interessiert, Serbien an Erweiterung, Rußland an Serbiens Erfolg, Deutschland an den Eisenbahnverbindungen zum Nahen Osten, England an Serbien als Sperriegel an der deutschen Bahn zum nahöstlichen Öl und Frankreich an einem schwachen Deutschland, das Elsaß-Lothringen nicht mehr verteidigen kann.
Der Zündfunke von Sarajewo
Der Schilderung der langen und komplizierten Kettenreaktion vom Mord in Sarajewo bis zum Kriegsausbruch sei diese Kurzversion vorausgeschickt, um eine Übersicht zu geben.
Als 1914 ein bosnisch-serbischer Attentäter im bosnisch-österreichischen Sarajewo den habsburgischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand ermordet, spitzt sich die Lage zwischen Habsburg und Serbien unversehens zu. Das Deutsche Reich stellt sich sofort in Bündnistreue hinter Habsburg. Die Regierung in Wien mißbraucht dies als Blankoscheck und überzieht ihre Drohungen und Ultimaten an das souveräne Serbien, zu dessen „Nutzen" das Attentat begangen worden ist. Serbien holt sich Rückendeckung bei seiner Schutzmacht Rußland. Die wiederum versichert sich der Bündnistreue Frankreichs. Und das kann vereinbarungsgemäß auf die Hilfe Englands zählen. So stehen sich kurz nach dem Mord von Sarajewo Serbien, Rußland, Frankreich und England auf der einen Seite und Österreich-Ungarn und Deutschland auf der anderen Seite gegenüber. In dieser zugespitzten Lage schickt Österreich-Ungarn den Serben ein Ultimatum. Dem folgen Kriegsvorbereitungen in Frankreich und in Rußland. Als beide Staaten ihre Truppen mobilmachen und England das gleiche mit der Flotte tut, kommt das Deutsche Reich in Zugzwang, mobilisiert später aber schneller und greift als erstes Frankreich an. Dabei läßt die deutsche Heeresleitung einen Teil der Truppen durch das neutrale Belgien aufmarschieren. Daraufhin erklärt England dem
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