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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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2, Seite 176
    „Mitbürger!
    ... Seit 20 Jahren habe ich unaufhörlich für Eure Rechte und Unabhängig
    keit gekämpft. Streikende und kämpfende Arbeiter! Ich bin von nun ab euer
    Bruder unter euch und ich stelle mich – im Einvernehmen mit unseren
    polnischen Parteien – an die Spitze unserer Bewegung. ... Um eine Mas
    senbewegung zu organisieren, ernenne ich Nowina Doliva zum Oberbe
    fehlshaber aller bewaffneten Streitkräfte. Alle Bezirkskommandanten, die
    Anführer und Aufständischen selber schulden ihm absoluten Gehorsam. ...
    Im Hauptquartier von Beuthen
    am 3. Mai 1921, dem Geburtstag
    der Polnischen Verfassung.
    28
    Korfanty"
    Das andere Dokument ist ein Brief an die Regierungen der alliierten Siegermächte vom gleichen Tag:
    „... Ich erkläre feierlichst, daß ich alles getan habe, um einen bewaffneten
    Aufstand, eine Störung der öffentlichen Ordnung zu verhindern. Als aber
    die Vorschläge der Hohen Interalliierten Kommission bezüglich der Tei
    lung Oberschlesiens bei den polnischen Arbeitern und Bauern, die seit
    Jahrhunderten Gegenstand einer gewissenlosen Ausbeutung und einer
    brutalen Unterdrückungspolitik seitens Preußens und Deutschlands sind,
    bekannt wurden, hat die Masse eine grenzenlose Verzweiflung ergriffen
    bei dem Gedanken, daß sie wieder unter preußisches Joch zurückkehren
    könnten. ...24 Stunden nach Eintreffen der Hiobsbotschaft... hat die
    Bevölkerung spontan zu den Waffen gegriffen. ... Damit dieser
    leidenschaftliche Ausbruch des erbitterten bewaffneten Volkes nicht unter
    den Einfluß verbrecherischer Elemente in den Zustand der Anarchie
    ausartet, habe ich mich auf Verlangen der Aufständischen und
    Streikenden an die Spitze der Bewegung gestellt, um ... so schnell wie
    möglich die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. ...
    29
    Korfanty"

    Frankreich lastet den Aufstand der deutschen Presse an. Der britische Premierminister Lloyd George bewertet den Aufstand aus seiner Sicht am 13. Mai 1921 im Unterhaus ganz anders:
    „Die Alliierten haben durch eine allgemeine Entscheidung bestimmt, daß
    die Teile Oberschlesiens, die überwiegend für Polen gestimmt haben, an
    Polen gegeben werden sollen. Jetzt haben die Polen einen Aufstand veran
    staltet und die Alliierten vor ein fait accompli gestellt. Dieser Schritt war
    ein vollständiger Bruch des Friedensvertrages von Versailles. ... Polen ist
    das letzte Land, das versuchen dürfte, gegen den Vertrag von Versailles zu

    Benoist-Méchin, Band 2, Seite 175
Baumfalk, Seite 178
Vollendete Tatsachen

    verstoßen. ... Wenn Polen Erlaubnis bekäme, diese deutschen Provinzen zu überrennen, so würde das ein böses Ende nehmen...." 31

    Polnische Aufständische und Truppen erobern bis zum 5. Mai, also binnen zweier Tage, den Osten Oberschlesiens bis zum Oberlauf der Oder, ein Gebiet ein Viertel größer als das Saargebiet. Die Reichsregierung protestiert am 2. Mai, am 3., 4., 5. und 7. Mai bei den Regierungen der Siegermächte. Frankreich versucht, die polnische Eroberung unter ihren Schutz zu stellen und droht, daß es einen Einsatz der Reichswehr in Oberschlesien als einen Bruch des Vertrages von Versailles ansehen und mit einer Besetzung des Ruhrgebiets ahnden werde. In Frankreich wird – zum Zeichen, daß die Drohung nicht in den Wind gesprochen ist – der bereits entlassene Wehrpflichtigenjahrgang 1919 wieder einberufen. Ab 9. Mai 1921 versuchen die Polen, weiter nach Westen anzugreifen. Doch mittlerweile sammeln sich Freiwillige aus ganz Deutschland und aus Österreich, bilden Freikorps und beginnen ab 21. Mai, das verlorene und zum Teil zerstörte Land zurückzuerobern. Vom 21. bis 25. Mai liefern sich Polen und Freikorps eine Entscheidungsschlacht am Annaberg bei der Kleinstadt Krappnitz. Der größte Teil der polnischen Eroberungen kann dabei für Deutschland zurückgewonnen werden.

    Bitter für die Freiwilligen aus ganz Deutschland ist das Verhalten der eigenen Reichsregierung in Berlin. Noch als die Schlacht in vollem Gange ist, gibt sie am 24. Mai unter massivem Druck aus Paris per Erlaß bekannt, daß jeder deutsche Freikorpssoldat, der an den Kämpfen in Oberschlesien teilnimmt, mit Gefängnis oder Geldstrafe bis zu 100.000 Mark bestraft wird. So trägt die polnisch-deutsche Auseinandersetzung in Schlesien nicht unerheblich dazu bei, das Vertrauen der Weltkriegssoldaten zur eigenen Regierung und zur neuen deutschen Republik nachhaltig zu zerstören.

    Am 5. Juli haben die Freikorps den größten Teil

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